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Nach der Asche

Lina Atfah
Übersetzung: Suleman Taufiq
Foto: Ala´ Hamameh

Die Lieder sind dort der Tod.
Wir summten die alten Verse,
weinten und wiegten uns mit ihnen, was niemand bemerkte.
Ist es wahr, dass die Ataba*-Gesänge uns in Nebel verwandeln?
Ich sah meinen Vater wie eine Wolke dahin schweben,
als er den Rebab**-Klängen lauschte.
Seine Ekstase ließ mich zu Asche werden.
Ich sagte: die Rebab ist die Stimme
des Regens, wenn er weiblich wäre,
die Rebab ist der unendliche Traum einer grenzenlosen Wüste.

Die Lieder sind dort der Tod.
Sie sind die Zugvögel,
die von Geburt an das Ziel ihrer Wanderung kennen,
die vertraut sind mit Orten, an denen sie nie waren.
Du hörst ein Lied
und du hast Sehnsucht nach deiner Kindheit,
nach dem Leben der Menschen, die du geliebt hast.
Die Jahre vergehen wie im Tiefschlaf.
Du siehst die ertrunkenen Saatfelder.
Die Quelle überschwemmt uns, die Quelle –
ein Kind des Wassers.
Die Erde wurde zu eng für uns,
die Tochter des Horizonts
für Augen, die nachdenklich sind.
Stell deinen Traum über die Lieder,
damit er nicht nass wird,
dann erhebe dich über ihn,
sieh ihn klar und bewahre ihn auf.
Wirf alle Prophezeiungen über Bord außer die des Schlafes,
der ein ertrunkenes Weizenfeld überblickt,
deinen Tod.

Sie klagten lange über deinen Tod und sagten:
Wir haben ihn als Leiche aus seiner Illusion geborgen.
Wir baten ihn, das Töten zu beschreiben:
Langsam, kurz und bündig.
Lass der Phantasie der Liebenden freien Lauf,
sag, du hast geweint, aber beschreibe die Tränen nicht,
beschreibe das Gesicht nicht, dessen Stimme erwürgt wurde.
Lass uns deinen Tod gestalten mit der neuen Stimmung.
Weißt du, warum wir deinen Tod besser kennen als du?
Weil du nicht einmal ein Opfer bist,
weil du nicht einmal einen Schatten findest, der dich rühmt,
weil du nicht einmal austrocknest, um ein Stern zu werden, der uns inspiriert.
Sag nicht, ich habe ein Land.
Sag, die Erde ist größer als der erste Schrei eines Neugeborenen.
Lass dich nicht von den Spatzen verzaubern.
Die Sprachen, die über deine Wunden liefen,
sind nicht freundlich zu kleinen Vögeln.
Sie feiern die Greifvögel, wie sie in die Hälse der Opfer beißen.
Sie rühmen das Blut auf den krummen Schnäbeln.

Unsere Schritte nahmen uns mit, ohne Rückkehr, ohne Trugbild.
Die Liebe wird uns töten, wenn sie vollkommen wird,
der Traum tötet uns, wenn er näherkommt,
unsere Wunde tötet uns, wenn sie heilt.
Wen wir beweint haben, der tötet uns.
Die Lieder sind dort der Tod.
Wir haben das nicht gewusst,
bis wir in Massen hinausgingen
und unsere Träume besangen.

*Ataba bezeichnet traditionelle arabische Lieder, die u.a. auf Hochzeiten gesungen werden.
**Rebab bezeichnet eine mit dem Bogen gestrichene Laute.

– Ein Traum überblickt das ZuhauseLesenمنامٌ يطلُّ على البيت
– Die Grenzen / Ertrunken im AquariumLesenالحدود / غرقى في مجال الماء
– GeselligkeitLesenالمؤانسة
– Schnick schnack schnuckLesenحجرة ورقة مِقصّ
– Jedes syrische Haus hat einen KassettenrekorderLesenفي كلّ بيت سوري مسجّلة ..
– Der Weihnachtsmann wäscht die TotenLesenرجُلُ الهدايا ومغسّلُ الأموات
Lina Atfah Nino Haratischwili

Lina Atfah & Nino Haratischwili

Lina Atfah und Nino Haratischwili schreiben beide ohne Angst. Sie scheuen weder große erzählerische Bögen über Generationen hinweg noch Themen, die sie in Gefahr bringen.

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