Koffer
Koffer sind ursprünglich Handflächen, viel zu klein,
und Schultern, viel zu schwach für all die Sorgen.
In den Koffern stecken Gesichter,
Salz, Geduld und verworrene Stimmen,
Gedränge, Geschichten und Menschen.
Sie haben kein Wort
für unbeschwert.
Die Koffer sind Mutter,
Olivenöl, Thymian und Brot,
Hefte voller Träume.
Je größer die Koffer, desto älter werden wir.
Egal, wie weit wir verstreut sind, die Koffer sind unser Halt,
der Ort, an dem wir uns sammeln.
Wenn dir
der Bruch im Angesicht der Zeit bewusst wird,
dann bergen die Koffer Geduld,
und du lebst in ihrer Zeit.
Berge von Demütigungen zerfallen zu einer Handvoll Staub,
bewahrt in einem Koffer.
Enttäuschungen der ersten Liebe,
die erste Lektion im Lügen,
die Scheu der Mädchen vor den Jungen,
die Steine des Weges, die unsere Schritte verändern haben,
alles steckt im Koffer, auch das Wort, das unterwegs gefallen ist,
und jeder Schritt.
Namen, die unerwähnt blieben
und stumm gestorben sind, weil das Sprechen darüber immerzu
aufgeschoben wurde,
ihre Zeit wird kommen.
Die tückischen Messer,
die ins Licht der Seele stachen,
die du im Dunkeln geschmuggelt hast,
allesamt lasten
auf dem Rücken, im Koffer.
Augen, die sich in den Schlaf weinen,
Augen, die schlaflos wachen,
bei all dem Blut auf den Straßen,
das Groß und Klein ertränkt,
du kennst sie nicht.
Die Angst um dich selbst,
die Sprachlosigkeit im Angesicht des Todes,
die Schmach, die dir wie ein Messer in den Sinn sticht,
die Flucht vor der eigenen Vorstellung,
all dies hast du anderen vorgeworfen.
Die Grenzen, die du niedergerissen hast,
allesamt
lasten auf unserem Rücken - im Koffer.
Wir, die geflohen sind,
oder glaubten, wir könnten es,
fliehen vor dem Wort in ein Meer von Schweigen.
Wir, die wir Angst haben vor dem Grab,
tragen Koffer, darin unseren Sarg.
Wir suchen den freien Raum,
wollen ihn lieben und fliegen,
Doch die Koffer sind groß und schwer geworden,
sind uns Gefängnis und Haus.