Das Gedächtnis des Kühlschranks
Jeden Morgen hängt am Kühlschrank ein Brief von jemandem, der sich aus meinem Leben verabschiedet hat. Egal, ich lese ihn später, sage ich mir. Nun, da alle Menschen fort sind, verlassen mich auch noch die Gegenstände. Am Kühlschrank ist kein Platz mehr, also legen sie die Briefe hinein - auf die abgelaufenen Konserven. Vielleicht hätte sich draußen noch eine freie Stelle gefunden, aber so ist es ihnen offenbar lieber.
Nicht einen einzigen Brief habe ich gelesen. Ich finde immer eine Ausrede, das Lesen auf das Wochenende zu verschieben. Aber ich habe längst aufgehört, die Tage zu zählen und weiß deshalb nicht, wann Wochenende ist. Mittlerweile erinnere ich mich nicht einmal mehr an die Dinge, die gegangen sind. Bücher, Tassen, Geschenke, Bettwäsche, Löffel, Uhren, Kalender. Alles – bis auf die Messer. Nur die Messer sind geblieben. Sie liegen in der Küche auf dem Boden, seit der Kühlschrank samt den Briefen verschwunden ist.