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Ein Name spielt in den Wäldern

Rasha Habbal
Weiter Schreiben, Rasha Habbal, Ein Name spielt in den Wäldern
© Adel Dauood, ohne Titel, Öl auf Leinwand, 130 x 130 cm (2016)

 

Ich weiß nicht mehr, wie ich heiße. Aber ohnehin hat mich schon lange niemand mehr bei meinem Namen gerufen. Ich glaube, er war „Mädchen“ oder „die da“. Ich bin ein Name, der in Wäldern spielt, eine Freundin des Wolfes. Ich renne auf kurzen Wegen zum Haus meiner Großmutter, die niemanden kennt außer dem Fischer.

Mein Kopf ist eine alte Kiste, durch die schwarze Ameisen krabbeln. Weiß sind nur meine Haare und meine Augen um die Pupillen herum. Für immer und ewig werde ich morgens geboren und sterbe, nachdem ich meine Kinder gegessen habe, die mir meine Mutter in den Bauch gepflanzt hat, bevor sie meinen Vater tötete.

Aus allen meinen Fingerspitzen wachsen kleine Herzen, die ich den Straßenhunden zum Fraß hinwerfe. Als ich einmal versehentlich meine Hand auf das Herz meines zitternden Geliebten legte, dachte er, ich sei seine Mutter. In meinem schweren Körper trage ich hundert Ziegelsteine, mit denen ich eine Mauer zwischen mir und denen baue, die immer „Glaub mir!“ sagen.

Die Räder der Tage drehen sich schnell und häufen Zeiterde auf Details, auf Brot und auf Salz. Ein blauer Himmel steht jeden Tag auf, um arbeiten zu gehen, ohne nach dem „Mädchen“ zu sehen, das noch immer das Reisen mag und alles, was glänzt, das noch immer gerne vor Konzerten Schlange steht und das bei den Gottpreisungen an Feiertagen nostalgisch aufhorcht, obwohl es Gott nicht glaubt und nicht verzeiht.

Ein Mädchen, das sich um die Tage gewickelt hat und gar nicht mehr daran denkt, sich je wieder aufzurichten, das mit zwölf Jahren aufgehört hat, sich etwas zu merken, und stattdessen das Gedächtnis anderer auffrischt, ein Mädchen, das einen Bus zur Station Nebel nimmt, um sich dort so viel Regen zu kaufen, wie es braucht, um Schandflecken von einer Geschichte zu waschen, die nichts mit ihm zu tun hat.

Mit einer sauberen Schere schnitt ich mir die Spitze der Gebärmutter im Hals meiner lachenden Vagina ab und hängte sie mit geschlossenen Augen an einen Baum mit Nestern voll hungriger Wespen. Dann reinigte ich mein Gedächtnis von ausstehenden Schulden, die mit den Worten „Du musst“ beginnen.

Ich grub viele Gruben, so viele wie die Kinder, die sich all die Männer, die ich einmal liebte, je gewünscht haben, und dazu ein paar weitere für mich selbst. Man sagt ja, wir seien aus Staub erschaffen. So werden wir also alle schlafen wie riesige Embryos, wenn wir für die bittere Milch bezahlt haben werden.

...

Der Fischer, der die trockenen Brustwarzen seiner Frau mit Blut bemalt und sie dann pflückt wie Kirschen, fragte mich: „Weißt du, was Angst ist, Mädchen?“

Weil ich stumm war, malte ich ihm als Antwort einen zugebundenen Schnabel.

„Weißt du dann wenigstens, was Liebe ist?“

Ich öffnete meine Hand, und alle Schnäbel fielen herab. Sie konnten auswendig zwitschern.

„Wer bin ich?“

Da flogen unter meinem Hemd Schwärme kleiner Vögel hervor, die im letzten Moment, kurz bevor das Messer kam, ihre Schnäbel suchten.

Er wischte sich die Kirschen vom Mund und berührte mein Gesicht mit seiner Hand, ohne sie gewaschen zu haben.

Mein Freund der Wolf tröstete mich: „Komm, lass uns fliehen!“

 

 

Dieser Text entstand im Rahmen eines Workshops für kreatives Schreiben des Verlags Hunna.

 

 

Rasha Habbal Anke Bastrop

Rasha Habbal & Anke Bastrop

Die beiden Autorinnen haben sich über die Arbeit am Text kennengelernt und sofort beschlossen, gemeinsam weiterzuarbeiten. Wir freuen uns und sind gespannt.

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