Die beiden Autorinnen haben sich über die Arbeit am Text kennengelernt und sofort beschlossen, gemeinsam weiterzuarbeiten. Wir freuen uns und sind gespannt.

Fermentationsprozesse

 

Anke Bastrop über Rasha Habbal

Jemand sagte mir einmal, dass in der ersten Begegnung zweier Menschen bereits die gesamte Geschichte ihrer Begegnung vorweggenommen sei, als maximale Verdichtung, als Samenkorn, als Gedicht. Bevor ich Rasha Habbal zum ersten Mal begegnet bin, hatte ich ihre Gedichte kennengelernt. Sie waren mir von Jo Frank, Verleger des Verlagshauses Berlin, zugeschickt worden. Kurze Zeit später bildeten Rasha Habbal, Filip Kaźmierczak als Interlinearübersetzer, Tillmann Severin als Lektor und ich als Nachdichterin ein Team, das an der Erstellung des arabisch-deutschsprachigen Gedichtbandes „Die letzte Frau“ von Rasha Habbal arbeitete, der 2021 im Verlagshaus Berlin erschien. In einem der Gedichte kommt ein Fermentationsprozess vor, eine Gärung, bei der feste Stoffe in gasförmige umgewandelt werden. Eine der ersten Fragen, die ich Rasha stellte, war: Was fermentierst du? Und: Stichst du das Obst und Gemüse an oder nicht? Sie fermentiert Tomaten, Auberginen, Rüben, Rote Bete, Äpfel. Es gefiel ihr, dass ich ihr diese Frage stellte. Keine sprachtheoretische, poetologische, semantische oder auf die Übersetzung bezogene, sondern eine aus dem Leben.

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Was ich nicht sehen kann

Lyrische Begegnungen von Rasha Habbal und Anke Bastrop

 

I.

Sie ist eine Frau, die sich, als sie brennen sollte

mit dem Feuer vereinte.

Es gibt Tage,

an denen sie ihre Haare rot färbt,

den Finger in Asche bohrt, ableckt: Er ist süß.

Eine Frau, die an die Tür geht, ohne zu zögern,

sich zeigt:

in zweifarbigen Socken, im Negligé,

eine Narbe im Nacken,

Zigarette, ein in zwei Teile gebrochenes Kind,

wild, golden.

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