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Mit Liebe und Zorn – Brief 1

Ulrike Almut Sandig an Oksana Stomina, Oxford , 10. Oktober 2022

Übersetzung: Sofiya Onufriv ins Ukrainische

Der Himmel in Oxford © Ulrike Almut Sandig

 

Liebe Oksana,

ausgerechnet heute schreibe ich an Dich. Am Morgen fand über mehreren ukrainischen Städten der heftigste Raketenangriff seit der Eskalation des russischen Krieges gegen die Ukraine statt. Hier in England ist es jetzt fast elf Uhr abends, ich lese gerade, ein weiterer Luftangriff werde erwartet. Die Leute schlafen heute Nacht nicht in ihren Betten, sondern in Fluren, Kellern und Metrostationen. Und ich, im irritierend schönen Oxford, wo ich übermorgen ein Poesiekonzert mit Grigory, den Du ja auch kennst, gebe, komme nicht zur Ruhe. Mein Facebook-Feed ist zum Fenster in eine dunkle Welt geworden, die ich nach Signalen Bekannter durchforste. Wieder frage ich alle, die ich kenne: Wo bist Du? Wo sind Deine Eltern? Seid Ihr okay?

Auch Dich habe ich das einmal gefragt. Das war am 4. März in diesem Jahr. Mariupol, wo wir uns vor einigen Jahren kennengelernt haben und wo Du mit Deinem Mann lebtest, stand unter heftigem Beschuss.

Jetzt bist Du nicht mehr dort, Ihr seid es beide nicht. Aber das ist eine lange Geschichte, von der ich nur Ausschnitte kenne. Willst Du sie mir erzählen? Und – wo bist Du jetzt?

With love and fury, Ulrike

 

 

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Mit Liebe und Zorn - Brief 1

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