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Meine geliebte Mutter

Yirgalem Fisseha Mebrahtu
© Somaya Abdelrahman, Fotografie aus der Serie: What we lost (2012)

Mutter, meine geliebte Mutter,

als dein bloßes Sein die Welt erfüllte,

schufen deine Taten eine weitere

und eine dritte, die noch sein wird, wenn du nicht mehr bist,

meine Mutter, Schöpferin vieler Welten,

oh geliebte Mutter, du Wintersonne.

 

Als wir uns trennten,

was sagte ich dir da?

Verworrene Gefühle hatte ich.

Obgleich ich wusste, dass meine Reise lang werden würde,

schien es mir doch, als wären wir in Kürze wieder zusammen.

Ein Moment, in dem ich

es nicht vermochte, Vorstellung von Wahrheit zu unterscheiden.

 

Auf meiner Reise …

verschleierte sich unsere Trennung, die uns jetzt so zersetzt.

Damit ich sie nicht in all ihrer Größe sah,

damit ich sie nicht erblickte und fürchtete,

ging etwas in mir vor, beeinflusste mich,

doch weiß ich nicht, was es war.

 

Könnte es wie bei dem Sprichwort sein,

„Das Herz der Eltern zittert, während das des Kindes in Ruhe schlägt“?

Nein, ich lehne es ab, als unwahr für mich,

zumindest als unanwendbar auf uns.

Immer denke ich an dich, immer sorge ich mich um dich,

beständig zitternd.

Wäre dein Bangen noch größer als meins,

ich könnte dein Leben kein Leben mehr nennen.

 

Es ist wahr,

ich habe einen Fehler gemacht,

der meine Schwäche noch unterstrich.

Meinen Peinigungen habe ich Vorrang gegeben,

mich selbst gewählt

und dich inmitten der Not zurückgelassen.

Du an meiner Stelle hättest das nicht übers Herz gebracht,

nicht mal in Erwägung gezogen oder davon geträumt!

 

Oh Mutter, Schöpferin vieler Welten,

meine Mutter, du Wintersonne,

wenn du kannst, höre nicht, was ich jetzt sage,

schenk ihm keine Beachtung, es soll aus mir raus,

aber dich nicht erreichen!

Ich bin im Kampf mit mir selbst, plane und schmeiße wieder hin,

begehe Fehler und bereinige sie,

alles mache ich mit mir selbst aus.

Lass mich dir sagen …

All die Male, die ich dich anrief,

um dich zu beruhigen, habe ich gelogen,

denn wenn ich kein Glück habe und das Blatt sich nicht wendet,

besitze ich nichts und weiß auch nicht weiter.

 

Wenn ich so daran denke …

war ich es, die dir die Kindheit nahm.

Auch deine Jugend

und das, was blieb, nahm ich dir erbarmungslos

gemeinsam mit meinen Geschwistern.

Alles, was du hattest, gabst du mir,

ohne einmal an dich zu denken.

Zuversicht schenktest du uns,

wenn wir sie brauchten,

Zuversicht, von der du hofftest, wir würden sie

dir ebenso geben, wenn du sie brauchst.

Doch was kam, war das Gegenteil,

meine Schwächen hinderten deine Wünsche, in Erfüllung zu gehen.

 

Über dich nachzudenken,

ist aber mein Leben, ein Leben, das nicht versiegt.

Versuche ich es zu verbergen, gelingt es kaum,

nur hin und wieder setze ich aus, doch überwinde es nie,

es kennt meine Schwächen,

lebt von meinen Ängsten und steigert meine Schuld bis ins All.

 

Doch habe ich dich, die du mir über allem stehst,

die, ohne zu hinterfragen, einfach glaubt.

Weil ich das weiß, rufe ich dich immer wieder an,

tröste nicht mich, sondern sage dir: Sei getrost.

Du würdest es nicht zugeben, aber reißt dir nie der Geduldsfaden?

Kommen dir Sprichwörter in den Sinn wie

„Der Taube kennt nur ein Lied“?

Bist du versucht, sie an mein Ohr zu tragen?

Wann findet dein Kampf ein Ende,

Unkraut, das du hier ausrupfst, wächst da wieder nach.

Mutter, meine geliebte Mutter,

auf dass meine Hoffnung nicht erlischt, lass mich ihr zufächeln,

lass mich weitermachen, wie du es kennst –

auch wenn es dir missfällt.

Sagst du schon: „Wartend bin ich alt geworden“?

 

Das, was du dir wünschst, das, was du sagst,

das, wofür du betest, woran du glaubst,

wird nicht ausbleiben, sondern eintreten.

Eines Tages werden wir uns in den Armen liegen.

Die jetzige Zeit wird vorübergehen, sie wird für uns enden,

diese Ära der Boshaftigkeit, diese Ära der Abgründe,

diese Ära der Parasiten, der Krokodile, der Blutsauger …

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