Ich könnte ein wenig vom Tod berichten
An der Grenze tanzende Schneeflocken,
ein Winken aus der Ferne,
ein ungarischer Reigen.
Und mir kam nur der eiskalte Tod in den Sinn.
Hätte ich die Nachbarstochter gemocht,
ich wäre wohl zum Mörder geworden.
Soldaten rissen sie in Stücke.
Doch ich wandte den Blick ab.
Nach Norden.
Denn Dante sagt, man muss
durch die Hölle, will man
ins Paradies. Für mich
war das Europa.
Vom Griff des Todes hätte ich berichten können,
als man mir meine Hände,
die eben noch sich an die Reling klammerten,
im Verhörraum auf den Scanner presste.
Vom Auge des Todes hätte ich berichten können,
in die Kamera, die auf mich gerichtet war, auf diese Frage, ob ich für all das dankbar sei.
Ich lernte Deutsch,
ich schaute Stücke von Falk Richter,
ich wollte Alltag und Kultur, ganz europäisch,
war Schulter an Schulter mit Europäern,
als sie verstört zugegen waren,
als ihre Welt das blaue Samtkleid fallen ließ:
Europa –
nackt geht die Ordnung aus den Fugen.
Minen, in den Annalen unterschlagen,
treten zutage und ganze Völker
umschwärmen taubengleich die Kuppeln der Moderne.
Sie werden weiß beschuht zertreten,
zermalmt von strahlend weißen Zähnen.
Im schmelzenden Schnee
zeichnen sich Worte ab,
verbinden sich,
treiben auf und schweben durch die Luft.
Worte sind Wasser,
Blut ist das Gedächtnis derer, die anstehen
vor dem Gericht,
an der Grenze,
an der Essensausgabe,
für die Zusammenführung ihrer Familie,
der Sterbenden, die ihr Land verlassen wollen,
mit all denen, die fern der Heimat
auf des Krieges Ende warten.
Worte sind Wasser,
Blut dagegen das Gedächtnis derer,
die Ewigkeiten warten, ertrinken
im schäumenden Schlund Gottes,
immerzu kreisend um sein Bild,
mit geschlossenem Mund beten,
flehen,
dass er sie eines Tages erhört.