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Der Wasserschneider

Monique Ilboudo
© Diero Issouf, Titel: TRIO, Mixed Media, Leinwand mit gefundenem Gegenstand, rote Erde, Reifen, Kordel, Kohle, Farn (2020)

Mein Onkel Tibo war ein Wasserschneider. Er schnitt anderen auch gern den Weg ab … und Kehlen durch!

„Das Wasser schneiden“ heißt lügen. Aber es sind keine alltäglichen, gemeinen oder interessegesteuerten Lügen. „Wasser schneiden“ bedeutet, auf kunstvolle Weise zu lügen, um die Zuhörer zu erheitern. Es bedeutet, lustige und unwahrscheinliche Geschichten zu erzählen, aber es so gut zu machen, als würde man das Unmögliche schaffen, Wasser zu schneiden! Das Publikum ist nicht dumm, aber es lässt sich von der Verwegenheit und der Ausdrucksfähigkeit des Wasserschneiders begeistern. Es hört mit Freuden zu und lacht ausgiebig. Wie stellt ihr euch also den Wasserschneider bei seiner Aufgabe vor: Geht er auf dem Wasser wie der Gott Israels? Der das Wasser unter sich entzweischneidet, wie in dem Moment, als er das Rote Meer teilte und für Moses und sein Volk einen Weg schuf? Im Wasser? Wie einen Dschungelabenteurer, der sich seinen Weg bahnt, indem er die Lianen zerteilt? Neben seinem zu zerschneidenden Stück Wasser? Wie einen Händler hinter seiner Auslage, der hier und da eine Scheibe abschneidet? Mir selbst fällt es schwer zu wählen. Ich kann ihn mir aber gut dabei vorstellen, wie er Wasser schneidet und die Wassersplitter durch die Luft schießen wie Lachsalven. So ein schöner Anblick!

Zum Wasserschneiden braucht man Talent. Der Wasserschneider ist ein Künstler. Einer, der Lachen schafft. Meinem Onkel konnte dabei niemand das Wasser reichen. Sobald seine große Gestalt irgendwo auftauchte, liefen Frauen und Kinder herbei, umringten ihn und jubelten ihm zu, noch bevor er sein erstes Stück … Wasser abschnitt. Die Männer waren ein wenig zurückhaltender und blieben abseits stehen, doch nah genug, um keine von Tibos pikanten Anekdoten zu verpassen. In Wahrheit beneideten ihn manche Männer. Der Künstler hatte alles, gutes Aussehen und ein flottes Mundwerk. Und er war frei, da er bislang jedes der Heiratsangebote, die ihm regelmäßig unterbreitet wurden, abgelehnt hatte. Wie er diese Freiheit nutzte, schien als Einziges für Zwietracht und manchmal für Spott zu sorgen. Tibo verließ regelmäßig das Dorf, ohne sein Ziel preiszugeben. Es konnten mehrere Wochen vergehen, bevor er wieder auftauchte, dann ein oder zwei Mulis vor sich hertreibend, die mit Säcken voller Lebensmittel und Geschenken beladen waren.

Für das Dorf war es ein Fest. Die Frauen bekamen hübsche bunte Tücher, Glasschmuck und Spiegel, die ihr entzücktes Lächeln reflektierten. Die Kinder taten sich an fremdartigen Leckereien gütlich. Nur die Männer, darunter mein Vater, verschmähten die schönen Gebetsmützen oder die Nahrungsmittelrationen, die der Reisende ihnen zudachte.

Mit diesen geheimnisvollen Reisen hatte Tibo sein gutes Verhältnis zu seinem älteren Bruder beschädigt. Dieser sprach nicht mehr mit ihm, da es ihn zutiefst ärgerte, dass sein jüngerer Bruder Stillschweigen über sein Reiseziel und die Herkunft der vom Himmel gefallenen Geschenke bewahrte. Er zog es vor, mit ihm zu brechen.

Ich war etwa zehn, als Tibo verschwand. Er blieb ganze fünf Jahre weg. Die ersten beiden Jahre machten wir uns Sorgen. Uns fehlten das Lachen und die Geschenke. Und auch seine Arbeitskraft, da er an einem Tag ein ganzes Feld abernten konnte! Wir beschwerten uns über seinen Egoismus. Wie konnte er der Familie seine starken Arme vorenthalten?

Und dann vergaßen wir ihn.

Mit der Zeit verblasste sein Gesicht in meiner Erinnerung. Meine Mutter, die ihren Schwager mochte, erzählte mir weiter von ihm. Sie erzählte mir zum Beispiel, dass mein Onkel besser als jeder andere das missgelaunte Baby, das ich war, zum Lachen bringen konnte. Dafür musste man kein Wasser schneiden. Ein paar Kitzeleien, begleitet von lauten Küssen, und mein unstillbares Lachen endete mit einem Schluckauf, bei dem ich fast erstickte. Dann kam meine Mutter angelaufen, riss mich aus den Händen des Wasserschneiders und pustete mich an, um mich zu beruhigen. Mein Onkel ging lachend davon und machte sich über sie lustig. Diese lebendig gehaltene Erinnerung malte das Bild eines freundlichen Riesen, den ich zu meinem Helden erkor. Die anderen mochten ihn vergessen, in mir würde er weiterleben. Ich nahm mir auch vor, sein Haus instand zu halten, dessen Wände bröckelten. In der Regenzeit riss ich das Unkraut heraus und in der Trockenzeit füllte ich die Mauerrisse mit Lehmklumpen, die ich am Flussufer sammelte. Man spottete über mich. Ich ignorierte es.

Obwohl böse Zungen geflüstert hatten, dass er tot und begraben sei, tauchte Tibo irgendwann wieder auf. Seine Rückkehr war alles andere als ein Triumphzug. In dem Jahr lief nichts richtig. Trotz der harten Arbeit hatten die Felder nicht viel hergegeben. Die kleine Ernte war vor der nächsten Regensaison aufgebraucht. Die besonders weitsichtigen Mütter hatten noch etwas, das sie aus ihren Tonkrügen kratzen konnten, ein paar letzte Getreidekörner oder Hülsenfrüchte, um ihren Kindern ein bescheidenes Mahl zu bereiten. Schon morgens gingen die Blicke zum Himmel und hielten Ausschau nach den kapriziösen Wolken, die sich nicht recht ballen wollten, um endlich die rettenden Tropfen auf den ausgedörrten Boden fallen zu lassen, ein paar essbare Blätter wachsen zu lassen und Hoffnung und Lebensfreude zu schenken.

Eines Abends, als die Sonne sich gerade hinter die Hügel verabschiedet hatte, bemerkte ein junger Hirte einen Fremden am Eingang zum Dorf. Aufgeregt lief er zum Patriarchen: „Ein Mann kommt! Er ist groß, ein Riese! Der Hirte war zu jung, um sich zu erinnern, aber der Alte begriff, dass es Tibo sein musste. Er wunderte sich, dass der Junge keine mit Säcken beladenen Mulis erwähnt hatte. Dennoch alarmierte er die Dorfbewohner, die dem Reisenden hoffnungsvoll entgegengingen. Das Fehlen vollbepackter Vierbeiner überraschte alle. Verärgert widmete sich jeder wieder seinem Hunger.

An den folgenden Tagen bemühte sich Tibo, seine Hütte in Ordnung zu bringen. Trotz meiner Bemühungen, zu denen er mich beglückwünschte, mussten die Wände und vor allem das Dach ausgebessert werden. Als die Arbeiten beendet waren, schloss mein Onkel, dessen Schweigsamkeit im Kontrast zu seiner ehemaligen Redseligkeit stand, sich zu Hause ein, schlief tagsüber und kam erst nach Einbruch der Nacht heraus, um sich an einen unbekannten Ort zu begeben. Sich so zurückzuziehen sah ihm nicht ähnlich. Keine Geschichten mehr, keine Wasserstücke, die geschnitten wurden, kein Lachen mehr, um in diesen schweren Zeiten den Hunger zu überlisten.

Als die beiden Fremden ins Dorf kamen, hatte sich bereits jeder an den neuen Tibo gewöhnt und niemand stellte eine Verbindung zwischen den Besuchern und ihm her. Die beiden Männer wurden empfangen, wie es die alten Regeln der Gastfreundschaft verlangten. Sie waren am frühen Abend gekommen. Der Wasserschneider hatte wie gewohnt das Dorf verlassen. Sie wurden beim Patriarchen empfangen, man bot ihnen zu trinken und zu essen an. Dann unterhielten sie sich mit allen Dorfweisen, bevor sie wieder aufbrachen. Das erschien nicht wenigen Beobachtern äußerst seltsam. Einen Gast nachts gehen zu lassen, ihn nicht zu überreden, bis zum Morgen zu bleiben, war ein Verstoß gegen unsere Lebensart. Zu normalen Zeiten hätte der Patriarch nie eine solche Taktlosigkeit begangen. Kein gut erzogener Gast hätte zudem auf den Aufbruch bestanden, wenn ihm eine Schlafstatt für die Nacht angeboten wurde. Es musste eine besondere Situation gewesen sein. Es drang nichts von dem Gespräch durch, aber schon am nächsten Tag verließen drei Männer für drei Tage das Dorf. Ich hätte diese Ereignisse meinem Onkel gegenüber erwähnen sollen. Ich war die Einzige, die er an sich heranließ. Ich fegte sein Zimmer, füllte seinen Canari mit Trinkwasser und stellte einen Teller vor seine Tür, wenn es uns gelang, ein wenig Mehl für dessen Zubereitung aufzutreiben. Dann aß er, bevor er in die Nacht verschwand. Sicher waren die Gelegenheiten, mit ihm zu sprechen, selten. Doch wenn ich begriffen hätte, was sich zusammenbraute, hätte ich ihm von dem eigenartigen Besuch und der folgenden Reise der drei Abgesandten berichtet. Die wenigen Male, als er mich ansprach, erkundigte er sich nach meinen Hochzeitsvorbereitungen. Ich war tatsächlich einem Mann versprochen, den man als „jung und fleißigbezeichnete, um mein Glück zu betonen. Wie viele Male hatte ich den tränenreichen Abschieden junger Bräute beigewohnt, die alten Männern folgten, die sie kaum je gesehen hatten? Auch ich kannte den, dem ich zugedacht war, nicht. Er hatte das Geschäft seines alten Vaters übernommen, eines reisenden Händlers aus dem Nachbardorf, und war vor mehreren Monaten nach Salga aufgebrochen, um Salz, Cola und andere Güter zu holen, die man bei uns nicht fand. Seine Eltern wollten ihn mit einer Braut überraschen, wenn er ins heimische Nest zurückkehren würde. Ich hatte fünfzehn Winter hinter mir, das ideale Alter für eine Heirat, die jedoch durch die außergewöhnliche Trockenheit bedroht war. Dann müsste ich warten, bis ich siebzehn war, denn nur ein ungerades Alter garantierte ein solides Heim. Mein Onkel drückte sein Bedauern aus, da er verstanden hatte, dass die versprochene Jugend und der Fleiß meines Zukünftigen ihn in meinen Augen mehr als annehmbar machte. Nach dem Besuch der zwei Fremden, gefolgt von der mysteriösen Reise der drei Weisen, kehrte wieder Ruhe ein.

Die verlängerte Trockenzeit stellte das Dorfleben auf den Kopf. Nur die Kinder schienen der Hitze zu trotzen. Von morgens bis abends hüpften sie umher wie Spatzen, glücklich, überall herumrennen zu dürfen, ohne von den Erwachsenen, die durch die Hitze apathisch geworden waren, zurechtgewiesen zu werden. Zu dieser Jahreszeit hätten diese zur Aussaat auf den Feldern sein müssen. Da der Regen fehlte, blieben sie im Dorf. Und da sie nicht wussten, was sie stattdessen tun sollten, blieben sie den ganzen Tag träge im Schatten der am wenigsten entlaubten Bäume hocken. Die Männer waren in Sorge. Man sah es an ihren ernsten Gesichtern und hörte es an ihrem Geflüster. Zudem waren die Jugendlichen, die für gewöhnlich am Rand ihres Kreises geduldet wurden, vollkommen ausgeschlossen. Die Abgewiesenen fanden sich ein Stück weiter zusammen, wenn sie nicht das Dorf verließen, um zu jagen oder im trockenen Flussbett zu buddeln, auf der Suche nach Fischen, die sich in den Schlamm geflüchtet hatten. Die Gruppen der Frauen erkannte man von weitem an den eifrigen Bewegungen ihrer bunten Fächer, die flatterten wie Schmetterlingsflügel. Es gab nicht viel zu tun. Alle warteten auf Regen.

Und der Regen kam. Zuerst so, wie es in dieser baumkargen Savanne eben regnet. Mitten am Tag, als die Hitze auf ihrem Höchststand war und die Fächer wild flatterten, verdunkelte sich der Himmel und ein starker Wind hob an. Menschen und Tiere hatten sich kaum in Sicherheit gebracht, als die ersten Tropfen fielen. Ein starker, dichter Regen prasselte auf die trockene Savanne. In wenigen Minuten bildeten die Wassermassen einen schlammigen Strom, der Humus und verschiedene Abfälle davontrug, ohne sich Zeit zu nehmen, den Durst der Erde zu löschen. Der erste, zu heftige Regenguss hörte rasch auf. Nach ein paar Minuten Ruhe setzte der Regen wieder ein, sanfter, dünner, und drang in den ausgedörrten Boden ein. Beruhigt und erfrischt fiel das ganze Dorf in einen tiefen Schlaf in dieser Nacht.

Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem Gefühl großer Not. Ich war grundlos traurig und ängstlich. Als ich dem ernsten Blick meiner Mutter begegnete, dachte ich, dass meine Traurigkeit vielleicht einen Grund hatte, den ich noch nicht kannte. Wie manche meiner Träume war meine Verzweiflung vielleicht ein Vorzeichen. Ich versuchte, meine Mutter auszufragen, doch sie wich aus und murmelte: „Alles ist in Ordnung.“ Da ich verstand, dass ich aus ihr nicht mehr herausbekommen würde, ging ich hinaus und zur Hütte meines Onkels. Ich musste ihm an dem Tag frisches Wasser bringen. Vor dem Eingang bemerkte ich zahlreiche Fußspuren auf dem noch feuchten Erdboden. Sie führten hinter die Hütte. Ich folgte ihnen, entdeckte die frisch aufgeschüttete Erde. Und ich verstand. Mein Schrei lockte das halbe Dorf an. Die zuerst eintreffenden Kinder blieben auf Abstand, verwundert über mein Gebaren. Ich lag flach mit dem Bauch auf dem Grab, brüllte vor Schmerz und trug die Erde mit den bloßen Fingern ab, in dem vergeblichen Versuch, den Begrabenen zu erreichen. Was war geschehen? Ein Opfer? Ein Gottesurteil? Die Erwachsenen kamen. Manche von ihnen wussten noch nichts von dem schrecklichen Ereignis, das eingetreten war, während sie tief und fest schliefen, in der nächtlichen Kühle wohlig schnarchend. Erschrocken schlugen sie die Hände vor den Mund oder über dem Kopf zusammen. Diejenigen, die Bescheid wussten oder sogar beteiligt waren, schimpften mit den ungläubigen Schaulustigen: „Geht weiter, es gibt hier nichts zu sehen!“ Einer von ihnen gab die Anweisung, mich zu meiner Mutter zu bringen. Sie hoben mich einfach hoch, mit meinem rotzverschmierten Gesicht und Lampè[1], den blutigen Fingern, und brachten mich umstandslos nach Hause. Meine Mutter, die nicht weniger aufgewühlt war als ich, hatte sich in ihre Hütte zurückgezogen und weinte leise. Sie empfing mich und gab mir ein Zeichen, ich solle mich hinlegen und meinen Kopf auf ihre ausgestreckten Beine legen. Sie trocknete meine Tränen mit einem Zipfel ihrer Schürze, räusperte sich und begann zaghaft: „Sie hatten keine Wahl, weißt du!“ Ich riss den Kopf hoch und musterte sie verächtlich. Sie hielt meinem Blick stand und fuhr mit ihrem schwierigen Plädoyer zugunsten der Mörder meines Onkels fort.

Unsere Ära war die Zeit des Sklavenhandels. Manchmal erreichte uns das Echo dieses Handels mit „Ebenholz“ wie von einer Tragödie in weiter Ferne. Wir lebten in einer geschützten Zone. Die Diebe wussten, dass nicht jedes Ebenholz verkäuflich war. Der mächtige König der Mossé sah den Menschenhandel nicht gern. Er verschloss die Augen, solange es nicht seine Untertanen betraf, wurde aber ungemütlich, wenn die Händler auf seinem Land tätig wurden. Sich an Mitgliedern seiner Familie zu vergreifen war Majestätsbeleidigung, die mit dem Tod bestraft wurde. In diesem Wissen lockten mein Onkel und seine Komplizen sie für ihre Razzien aus seinem Königreich. Eine Nichte des Königs war zu Besuch bei ihrer Tante, die seit ihrer Heirat in einem weit entfernten Landstrich lebte. Das Mädchen war nach draußen gegangen, um auf einem Feld in der Nähe der Behausungen Okraschoten zu pflücken. Die vorbeikommenden Schmuggler entdeckten sie und wollten sie entführen. Doch sie hatten Pech. Die Schreie des Mädchens alarmierten die Dorfbewohner. Die Gauner wurden von Dorf zu Dorf gejagt. Manche wurden geschnappt. Mit ihnen wurde kurzer Prozess gemacht. Mein Onkel konnte entkommen, seine Spur wurde aber bis zu uns verfolgt. Die beiden Fremden, die unser Dorf besucht hatten, waren Abgesandte des Königs der Mossé. Ihre Botschaft war eindeutig. Die Herrschaft verlangte ein Bußritual.

„Sie hätten um Entschuldigung bitten können, verhandeln …“, warf ich naiv ein. Sie hätten es versucht, fuhr meine Mutter fort. Die drei Weisen, die drei Tage fortgegangen waren, hatten das Eingreifen des Wemba verlangt. Dieser Vermittler, eine traditionelle Institution, die im ganzen Königreich anerkannt war, hat die Aufgabe, Konflikte aller Art zu lösen. Sogar der oberste Chef hört auf ihn und nutzt seine Vermittlung. Aber manche Vergehen können ohne ein Opferritual nicht vergolten werden. Die Reise der drei Weisen hatte nur in ein grausames Dilemma geführt – den Täter auslöschen oder eine kollektive Strafe ertragen. Die Wahl war eindeutig gewesen.

Daraufhin war eine Gruppe von zehn starken Männern zusammengestellt worden, die auf den geeigneten Moment gewartet hatte, um ihre schmutzige Tat zu vollbringen.

Mitten in der regenmilden Nacht hatten die zehn Vollstrecker ihre Lager verlassen. Auf leisen Sohlen hatten sie die Hütte meines armen Onkels umstellt. Sie hatten die Tür eingeschlagen, ihn im Schlaf überrascht. Zehn gegen einen.

Er hatte sich sicher gewehrt. Er war stark. Aber bei zehn gegen einen hatte er keine Chance. Das Seil war kräftig, die Arme auch. Dem Wasserschneider war die Luft ausgegangen.

Ich gab dem Regen die Schuld. Er hatte Tibo gezwungen, nachts zu Hause zu bleiben. Sonst wäre er nicht im Dorf gewesen und nichts wäre geschehen. Er hatte die Schritte der Angreifer übertönt, als sie zu seiner Hütte kamen. Er hatte es ermöglicht, leicht ein Grab auszuheben. Ich gab dem Regen die Schuld.

Doch dieser kümmerte sich nicht um meine unnütze Wut und setzte erneut ein. Meine Mutter lief hinaus, um ihre Sachen hereinzuholen. Ich saß hinten in der Hütte und schaute durch die offengebliebene Tür auf den dichten Vorhang aus Tropfen. So viel Wasser, und niemand mehr, um es zu schneiden.

 

[1] Perlenverzierter Lendenschurz aus Stoff, der von jungen Mädchen getragen wird.

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