Die Frau
Dein Körper unter Polizeistiefeln, grünblau
Eine Frau, jede Zelle des Leibs weitgereist
Die Schwere jenes Körpers, gestürzt auf das Bett
Blaugeprügeltes Fleisch und ihr Hemd, das zerreißt
Eine Frau, unter der Männlichkeit Schwere zermalmt
Ihren Körper, jede Zelle, hat sie vereist –
Schmerzensseufzer und dein Atem, eiskalt
Reglos ist sie … leblos … müde … verwaist
Rote Wäsche, dein weißer Leib hier
Der an den Bettrand will, sich nicht länger quälen
Kalte Zipper werden nach oben gezogen,
wenn in dir nichts bleibt, außer
ihre Dinger, Schwindel, ein Kloß in der Kehle
… das Salz des Spermas, eine erkaltete Seele
… Entkräftung, Valium, wo einst ein Leib eine Stele
Ein Tropfen Mannheit findet kein Du für sein Wir[1]
Die Angst kam über sie und mit ihr eintausend-
einhundert Gewehre, Dinger, gekräuselte Haare
Er zittert, ihr Körper, doch das Schwarz ihrer Augen
konnte Weiblichkeit, Liebe und Zorn sich bewahren
Der Druck des Abzugs, Kalaschnikows ohne Gnade
Blutleer dein Körper, durstig das Projektil
Hass und Lust, eine Herde Augenpaare
auf deinem Körper, der unbeweglich und still
Eine Frau, diesseits der Salzwasserwogen
Ekel und Abscheu … tausend Frauen im Kopf führen Klage
Dann du, die Sehnsucht nach Poesie und Moderne …
Und schlimme Träume und noch schlimmer die Tage
In ihrem Kopf tausend auf mich schießende Männer ...
Tausend Frauen betreten die letzte Gerade
Eine Frau, die tot ist und doch leben wird, Jahre
[1] Im Original ein Wortspiel mit dem persischen Wort für ich und einer alten, poetischen Bezeichnung für den männlichen Samen.
Anmerkung der Übersetzerin: Bei dem Gedicht handelt es sich um eine modifizierte Variante des Ghasels, eine der großen klassischen Gedichtformen, für die unter anderem Rumi und Hafis bekannt sind. Das Ghasel beginnt für gewöhnlich mit einem gereimten Verspaar. In den Verspaaren darauf wird der Reim des ersten Verspaares nur in der zweiten Zeile wiederholt, woraus sich folgendes Reimschema ergibt: aa-ba-ca- etc. In „Die Frau“ ist diese schwer in anderen Sprachen zu reproduzierende, traditionelle Form trotz einiger Abweichungen noch auszumachen, der „Refrainreim“ wechselt jedoch in jeder Strophe. Die Themen des Ghasels sind für gewöhnlich lieblich: Die spirituelle Vereinigung mit Gott, himmlischer wie irdischer Rausch, Liebestrunkenheit. Diese Form in Verbindung zu bringen mit einer schonungslosen Sprache und Themen wie sexueller Gewalt stellt einen Tabubruch auf mehreren Ebenen dar und eröffnet einen weiten Interpretationsraum.