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Die Frau

Mazda Mehrgan
© Tahmina Tomyris, aus der Serie "The Bacchae", Acryl auf Leinwand (2014)

 

Dein Körper unter Polizeistiefeln, grünblau

Eine Frau, jede Zelle des Leibs weitgereist

Die Schwere jenes Körpers, gestürzt auf das Bett

Blaugeprügeltes Fleisch und ihr Hemd, das zerreißt

Eine Frau, unter der Männlichkeit Schwere zermalmt

Ihren Körper, jede Zelle, hat sie vereist –

Schmerzensseufzer und dein Atem, eiskalt

Reglos ist sie … leblos … müde … verwaist

 

Rote Wäsche, dein weißer Leib hier

Der an den Bettrand will, sich nicht länger quälen

Kalte Zipper werden nach oben gezogen,

wenn in dir nichts bleibt, außer

ihre Dinger, Schwindel, ein Kloß in der Kehle

… das Salz des Spermas, eine erkaltete Seele

… Entkräftung, Valium, wo einst ein Leib eine Stele

Ein Tropfen Mannheit findet kein Du für sein Wir[1]

 

Die Angst kam über sie und mit ihr eintausend-

einhundert Gewehre, Dinger, gekräuselte Haare

Er zittert, ihr Körper, doch das Schwarz ihrer Augen

konnte Weiblichkeit, Liebe und Zorn sich bewahren

Der Druck des Abzugs, Kalaschnikows ohne Gnade

Blutleer dein Körper, durstig das Projektil

Hass und Lust, eine Herde Augenpaare

auf deinem Körper, der unbeweglich und still

 

Eine Frau, diesseits der Salzwasserwogen

Ekel und Abscheu … tausend Frauen im Kopf führen Klage

Dann du, die Sehnsucht nach Poesie und Moderne …

Und schlimme Träume und noch schlimmer die Tage

In ihrem Kopf tausend auf mich schießende Männer ...

Tausend Frauen betreten die letzte Gerade

Eine Frau, die tot ist und doch leben wird, Jahre

 

[1] Im Original ein Wortspiel mit dem persischen Wort für ich und einer alten, poetischen Bezeichnung für den männlichen Samen.

 

Anmerkung der Übersetzerin: Bei dem Gedicht handelt es sich um eine modifizierte Variante des Ghasels, eine der großen klassischen Gedichtformen, für die unter anderem Rumi und Hafis bekannt sind. Das Ghasel beginnt für gewöhnlich mit einem gereimten Verspaar. In den Verspaaren darauf wird der Reim des ersten Verspaares nur in der zweiten Zeile wiederholt, woraus sich folgendes Reimschema ergibt: aa-ba-ca- etc. In „Die Frau“ ist diese schwer in anderen Sprachen zu reproduzierende, traditionelle Form trotz einiger Abweichungen noch auszumachen, der „Refrainreim“ wechselt jedoch in jeder Strophe. Die Themen des Ghasels sind für gewöhnlich lieblich: Die spirituelle Vereinigung mit Gott, himmlischer wie irdischer Rausch, Liebestrunkenheit. Diese Form in Verbindung zu bringen mit einer schonungslosen Sprache und Themen wie sexueller Gewalt stellt einen Tabubruch auf mehreren Ebenen dar und eröffnet einen weiten Interpretationsraum.

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