Zu den Klängen des Kaïra
Der Tag ermattet, flechten wir ein Gedicht in seine melancholischen Schattierungen. Ein Gedicht, so köstlich wie die Zierden des Himmels. Meine Augen weiden sich daran, mein Geist wird flatterhaft …
„Ich bin Der zerstreute Wanderer. Oder Der, der unter der Sonne wandelt – ganz wie du willst“, sagt mein Gefährte für diesen Moment. Ich verliere mich im Timbre seiner Stimme, der Wind, der in dieser Höhe kräftig weht, trägt seine Worte fort.
„Kounandya ist mein Name. Kounandy oder Dya – ganz wie du willst“, murmele ich mehr aus Höflichkeit als wirklich darauf bedacht, dass er mich versteht. Der Moment ist magisch und zerbrechlich zugleich.
Der, der unter der Sonne wandelt, setzt ein strahlendes Lächeln auf, das seine weißen Zähne entblößt. Auf seiner Stirn und in den Augenwinkeln zeigen sich Falten.
„Kounandy ist mir recht. Kounandy, das Glück, Glückskind. Das gefällt mir“, wiederholt er wie zu sich selbst und wirkt abwesend, verträumt.
Glückskind? Ich weiß nicht. Kounandya … Mein Vater gab mir diesen Namen, der Glück bedeutet in der Sprache der Dioula. Später erzählte er mir, mein Geburtsjahr habe ihm einen Wohlstand beschert, der in den Jahren, die folgten, immer größer wurde.
Am Tor zur Sahelzone, Juli 2007, Region Nord, Burkina Faso. Dritter und letzter Tag. Die Nacht hat Oudalan eingenommen, und uns hier oben auf dem Kamm der Oursi-Düne. Vom Schauspiel der Abenddämmerung gebannt, liege ich neben ihm auf dem Rücken. Vor meinen Augen durchlief die Sonne alle Stadien von Rot und klammerte sich mit sterbender Kraft an ein Stück Himmel, das schnell ein Hemd aus gleichem Rot in allen Facetten überwarf: Purpur, Ziegel, Imperial, Glut, Koralle, Flamme, Rubin kamen darin vor, wie in einer schnellen Überblendung. Zu schnell für meinen Geschmack. Dreißig Minuten? Einen Lidschlag lang? Niemals war mir der Sonnenball so schön und so verletzlich erschienen wie in diesem Moment. Seiner Manneskraft beraubt, verlässt er die Szenerie, und zurück bleibt sein geschliffener Charme, den die Nacht allmählich verschlingt.
„Auf dem Rücken dieser Düne begegnen wir uns selbst“, sagt Der, der unter der Sonne wandelt. „Wie die obligatorische Summe unter dem Strich deines kleinen Lebens“, fügt er hinzu und der Wind verweht den Klang seiner Stimme.
„Der Himmel ist der Sahel, in den die Karawane auf der Suche nach Steinsalz zieht.“ Wie in einer Endlosschleife wiederhole ich diesen Vers von Saint-John Perse in meinem Kopf und begreife – unwillkürlich auf der Suche nach mir selbst –, dass die Essenz der Dinge vor mir liegt. Plötzlich möchte ich nichts mehr als diesen Augenblick verewigen, Zuflucht in ihm finden, zusammengekauert wie ein Fötus im Bauch seiner Mutter.
Sein Flötenspiel holt mich aus meinen Gedanken. Wann er sich einige Schritte von mir entfernt hat, weiß ich nicht mehr. Die Melodie des Kaïra erfüllt Oursis friedliche Nacht. Als dränge ihn eine mystische Kraft, bläst er stärker immer stärker in seine Querflöte. Die Melodie steigt synkopiert auf, schwillt an, bald klagend, bald schluchzend trotzt sie dem Wind und übersät Oursi und das Umland mit ihren Klängen.
Kaïra, Hoffnung. Die Hymne der Mandinka. Hymne des Widerstands. Kaïra füllt mich aus und das Leuchten der Abenddämmerung über Oursi kleidet mich. Auf dem Rückweg trage ich noch immer dieses Strahlen in mir. Es ist spät, gewiss schlafen meine Kollegen schon in ihren Hütten, die ihnen im Camp Mosarata als Unterkünfte dienen.
„Kounandy, vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder“, sagt Der, der unter der Sonne wandelt. Dann gibt er meine rechte Hand frei, die zwischen seinen Handflächen ruhte, wendet sich um und geht. Ich sehe zu, wie seine riesige Silhouette und das Futteral voller Flöten, das er über der Schulter trägt, in der Stille der Nacht verschwimmen. „Ja, eines Tages vielleicht, zu den Klängen des Kaïra“, wiederhole ich, bevor ich schlafen gehe, wozu ich mich tief gebückt durch die niedrige Tür meiner Hütte schiebe. Der Hütte Bellah in diesem Camp.
Der Tag ermattet, schreiben wir unser Gedicht in seine vergängliche Schönheit ein …
***
Ich fühle mich nicht wohl in diesem Bett. Auf der Suche nach einer bequemen Schlafposition drehe ich mich von einer Seite zur anderen. Nein, ich fühle mich überhaupt nicht wohl in diesem Bett. Diese grauenhafte Hitze, mein Körper schwitzt aus allen Poren, ich koche in meinem eigenen Saft. Stromausfall? Ich versuche mit der Hand den Schalter neben meinem Bett zu erreichen, um den Ventilator oben an der Decke einzuschalten. Ein stechender Schmerz macht es mir unmöglich, meinen Arm zu bewegen. Ich versuche aufzustehen. Mein Körper sträubt sich gegen jede Bewegung. Mein Kopf ist schwer wie Blei, mein Gehirn schaltet sich nicht ein. Genauso wie wenig meine Augen. Wo bin ich? Woher habe ich diesen Muskelkater? Meine Matratze war noch nie so hart! Und dann dieser widerliche Geruch … nein, der kann nicht von meinem eigenen Haus kommen! Ein Geruch nach Schweiß vermischt mit Furzen, Pisse, schmutziger Kleidung, verdreckten Leibern. So riecht es in meinem Schlafzimmer definitiv nicht! Aber wo bin ich dann, Gott im Himmel?
Eben war ich noch in Oudalan und lag auf der Düne von Oursi! Ich kann doch nicht geträumt haben! Der, der unter der Sonne wandelt, spielte das Kaïra und andere Melodien auf seiner Flöte. Ihr Klang hallt noch immer in meinen Ohren nach! Aber … wo ist der Geruch nach frischem Fisch, der in der Luft hing, als wir von der Düne abstiegen? Der die Rückkehr der Fischer von ihrem wöchentlichen Fang im Oursi-See begleitet? In dieser Nacht war er bis in meine Hütte Bellah gekrochen und meinen Nasenlöschern in Erinnerung geblieben. Nein, in diesem Bett fühle ich mich überhaupt nicht wohl.
Stimmen, die klingen, als kämen sie von weit weg, dringen zu mir durch. Gemurmel, Husten, Seufzer, Schluchzen, ab und zu ein Auflachen … ja, ein Lachen, in dieser Welt! Da sind Anzeichen für Anwesenheit. Das Atmen schlafender Menschen, Schnarchen … all das dringt zu mir durch. Ich ersticke in dieser Hitze. Langsam, wie in Zeitlupe, wird mein Gehirn wach, kommen auch meine Reflexe allmählich zurück. Mit etwas Anstrengung erfassen meine Augen das Chaos, das mich umgibt. Wie bin ich hier gelandet? Es gelingt mir, mich aufzusetzen. In meinem Schädel ein hartes Pochen. Rundherum …
Der Saal ist rechteckig, breit und lang. Zweifellos eine Lagerhalle, die uns – etwa hundert Menschen, vielleicht mehr – als provisorischer Schlafsaal dient. Die extrem hohen Wände stützen ein Dach aus Wellblech, an dem eine flackernde Glühbirne baumelt. Kleine Fenster mit rostroten Lamellengittern hoch oben in den Längsseiten der Halle dienen der Belüftung. Eine Eisentür in dem gleichen Rostrot steht einen Spalt offen. Auf dem grob betonierten Boden liegen Matten, auf denen einige Menschen tief und fest schlafen, während andere sitzen wie ich. Frauen jeden Alters, viele Kinder, Mädchen und Jungen, auch Säuglinge.
Innerhalb von Sekundenbruchteilen wird mein Verstand von meinem geräderten Körper, den Blasen an den Füßen und vor allem den Blicken – verzweifelte, leere, verstörte oder völlig ausdruckslose Blicke, die ich hier und da auffange – auf den Boden der Tatsachen geholt. Die Wirklichkeit trifft meine schwer verwundete Erinnerung wie ein Hammerschlag: die einfallende Horde Terroristen, das Rattern der Waffen, das Abschlachten von Zivilisten, die Zerstörung von Hab und Gut, die Flucht durchs Unterholz … Ich bin also eine IDP, eine Internally Displaced Person? Eine Binnenvertriebene in meinem eigenen Land? „Es passiert also nicht nur den anderen“, sage ich mir.
Die Düne, Oursi, Oudalan … das war im Juli 2007. Wir befinden uns im Jahr 2021! Wozu diese Rückkehr in die Zeit vor vierzehn Jahren, und das ausgerechnet heute? Ich habe den Verstand verloren, eindeutig. Was für ein Chaos in meinem Kopf! Ein Sauhaufen, in dem sich Raum und Zeit einem unglaublichen Jojospiel hingeben.
Ich mag die Nacht. Und nicht diese Finsternis, die uns im Leben immer schneller heimsucht.
***
- Juni 2021, Solhan, Provinz Yagha, Sahel, Region Nord, Burkina Faso. Zwei Uhr morgens. Ich hasse diese beklemmende Dunkelheit.
Schlafwandelnd tappe ich durch den Wartesaal des Gesundheits- und Sozialzentrums. Draußen fallen Schüsse – in immer kürzeren Abständen. Ich höre Schreie, Explosionen, Gebrüll. Ich stürze nach draußen und begreife, dass die Hölle über Solhan hereingebrochen ist. Instinktiv will ich zu meinem Haus rennen, wo auch meine Tante und ihre zehnjährige Tochter wohnen, seitdem es im Januar 2020 den terroristischen Anschlag auf ihr Dorf Silgadji gegeben hatte. Neununddreißig Zivilisten wurden damals getötet, darunter ihr Mann und ihre beiden ältesten Söhne: vor ihren Augen hingerichtet.
„Madame, Sie müssen in den Wald flüchten! Diese Leute haben Ihr Haus niedergebrannt! Flüchten Sie in den Wald! Es ist zu spät! Alles völlig zerstört, Madame!“ sagt Boukary zu mir, der Pförtner des Gesundheitszentrums. Flehend blickt er mich an, aus seinen Augen sprechen Panik, Wut und Empörung.
„Boukary, meine Tante und ihr Kind …“, versuche ich in einer Mischung aus Angst und Hysterie zu erklären.
„Da ist keine Tante, da ist kein Kind! Da ist überhaupt nichts mehr, Madame! Müsst euch im Wald suchen“, ruft er mir noch zu, als er mit Frau und Kindern flüchtet.
Ich glaube, ich bin ohnmächtig geworden. War das nach dem Gespräch mit Boukary? Oder nach dem Schock von der Explosion, der mich erfasst hat, während ich floh? Ich hatte zurückgeblickt und gesehen, wie das Zentrum niederbrannte. Das Feuer wütete in riesigen Zungen und dichter schwarzer Rauch stieg auf. Bin ich auf meiner Flucht durch den Wald von Solhan ohnmächtig geworden? Ich … ich weiß es nicht mehr.
Wie spät ist es? Wo sind wir? Was ist mit meiner Tante und ihrer Tochter passiert, denen ich Unterschlupf gewährt hatte? Wieder ist mein Gedächtnis lückenhaft. Wieder fällt die Tür zu meinen jüngsten Erinnerungen ins Schloss. Ich drehe mich auf den Rücken und schließe die Augen. Alles wird Nacht, alles wird leer, alles wird nackt. Große Erschöpfung kommt über die Nacht und die Leere und die Nacktheit …
Rückkehr nach Oudalan, Juli 2007. Die Aufklärungskampagne zur Familienplanung endet in Oursi. Letzter Tag, Nachmittag, Spaziergang im Camp, wo ich die Architektur der Hütten der in dieser Region siedelnden Gemeinschaften bewundere. Die Melodie einer Flöte erregt meine Aufmerksamkeit. Ich laufe in ihre Richtung, unterstützt vom Wind, der die fröhliche Melodie eines Kaïra zu mir trägt. Der Flötenspieler sieht mich und fährt unbeirrt fort, das Mundstück des Instruments mit seinem Atem zu füllen. Wir sind uns sofort sympathisch und brechen spontan zu einer Wanderung auf der einzigen lebenden Düne Oudalans auf. Ich stelle mir vor, wie die Düne läuft, rennt oder in diesem Ozean aus Sand eine Choreografie sämtlicher ihr möglicher Formen und Positionen aufführt. Er amüsiert sich über mich und wir lachen ein herzhaftes Lachen. Ich fühle mich gut, ich fühle mich wohl in seiner Gegenwart. Gierig sauge ich seine farbenfrohen Ausführungen über das Vogelschutzgebiet des See Mare d’Oursi auf, einer wichtigen Station für die meisten Zugvögel, die den Himmel über Westafrika durchqueren. Er spricht mit solcher Leidenschaft vom Wald bei Fererio, von seiner einstigen Fauna, von Warzenschweinen, Antilopen, Gazellen, Hasen ... Mit leuchtenden Augen erzählt er von der Zeit, als in diesem Wald „die Hyäne lachte, der Löwe brüllte und der Elefant trompetete“. Die Blütezeit … In einer Mischung aus Bitterkeit und Bedauern beklagt er die Ankunft der Wilderer, „diese Leute aus der Hauptstadt“, deren raubtierhaftes Verhalten noch die letzte Ratte im Wald bei Fererio ausrotten wird.
Der Tag ermattet, ich flechte mein Gedicht in die Schnur deiner Worte, die Leben, Freude, Atem mit sich führen …
***
Schmerzensschreie reißen mich aus meinem Fiebertraum, in dem ich mich unruhig hin und her werfe. Der Schlafsaal ist fast leer. Humpelnd laufe ich ans andere Ende des Raums, wo sich eine Gruppe Frauen um eine Jüngere geschart hat, die kurz vor der Entbindung steht.
„Lasst mich durch, ich bin von der Pflege … Geburtshelferin“, sage ich entschlossen.
Die Frauen leisten mir Unterstützung. Sie bringen warmes Wasser, saubere Decken und einen kleinen Gaskocher, auf dem ich so gut es geht alles sterilisiere, das mir nützlich sein kann. Nachdem ich meine Hände gewaschen und mit vor Ort fabriziertem Alkohol desinfiziert habe, gehe ich ans Werk.
„Pressen. Pressen. Tief ein- und ausatmen. Jetzt. Pressen. Stärker …“ Ausgiebige Unterstützung, eine gefühlte Ewigkeit für die Gebärende und endlich die Erlösung.
„Ein Junge! Es ist ein Junge!“ Freudenschreie ertönen, als ich den kleinen, ganz neuen Menschen in den Händen halte. Er stößt den Schrei eines Kriegers aus, als wüsste er um die feindliche Welt, in der er sich befindet. Eine Welt, in der er nicht ums Überleben kämpfen muss, sondern darum, überhaupt zu leben.
„Wenn du einverstanden bist, gebe ich ihm den Beinamen Kaïra“, sage ich zur Mutter. Sie lächelt und nickt. Eine ältere Frau nimmt mir das Baby ab und fragt nach meinem Namen.
„Kounandya“, antworte ich.
Gerührt, mit Tränen in den Augen, hebt sie den Säugling hoch und präsentiert ihn der kleinen Versammlung.
„Wir nennen dich Kaïra! Ich, deine Großmutter, Mutter deines Vaters, vor deiner Mama, vor Kounandya, der Geburtshelferin, und vor diesen Frauen, nehme ich diesen Namen und gebe ihn dir! Mein Kind, Kaïra sei dein Name, wir nennen dich Kaïra! Nimm diesen Namen an! Auf dass dein Werk in deiner Gemeinschaft und deiner Generation Gutes bewirke! Wie diese Melodie wird dein Ruf Grenzen überwinden und die ganze Welt erobern!“
Mit „Kililili-liiiiis“ und Händeklatschen werden die Worte der Großmutter aufgenommen. Das ist unsere Art, eine Person hochleben zu lassen oder ihre Worte zu begrüßen, wenn sie den Ohren schmeicheln.
Die Geburt des Säuglings hat die Finsternis verscheucht, die seit den Ereignissen in Solhan von meiner Seele, meinem Geist, meinem Körper Besitz ergriffen hatte. Hundertsechzig Tote, haben sie gesagt.
Jetzt kommt alles zurück. Im Morgengrauen jener Nacht, der Unglücksnacht, schleppte ich mich vorwärts, ohne zu wissen, wohin meine schweren Schritte mich bringen würden. Ein Karren, den ein Esel zog, hielt auf meiner Höhe: „Steig auf, wir fahren nach Sebba. Dort gibt es Orte für Binnenflüchtlinge“, rief mir der Fahrer zu.
Der Hof, der den rechteckigen Raum umschließt, ist groß und wimmelt von Menschen. Hier und dort wurden provisorische Zelte aufgestellt. Der frische Wind des Monsun ist eine Wohltat. Der angenehme Geruch nach feuchter Erde erfüllt die Luft. Irgendwo ist unbeholfenes Flötenspiel zu hören, als würde ein Musikinstrument gestimmt oder entrostet. Bestimmt ein Anfänger, sage ich mir. Das Weinen des Babys, Kaïra, dringt zu mir durch. Es wird Hunger haben.
Kaïra, Hymne des kulturellen Widerstands. Ich höre meine Großmutter sagen:
„In Mali um das Jahr 1946, zu Zeiten Modibo Keïtas, wurde Kaïra zur Hymne der Mandinka und zu einem nationalen Symbol. Das Kaïra besang die Bewegung des kulturellen Widerstands, die der ersten großen politischen Partei des Landes den Rücken stärkte. Kaïra steht für Hoffnung, für den Kampf für Unabhängigkeit. Für Einigkeit und Frieden. Wie dieses Neugeborene ist Kaïra das Licht, das im Herzen der Dunkelheit aufscheint … Kounandya, auf dass du im Dunkel der Nacht immer vom Glück überrascht wirst!“
„Amin! Amin! Danke, Naa, danke, Großmutter …“, flüstere ich auch jetzt, während sich mein Blick in der Ferne verliert.
„Wenn das soziale Gewebe einer Gemeinschaft zerfasert, ist das kulturelle Fundament rissig geworden. Die Dummheit hält Einzug und sorgt für große Verluste unter den Menschen. Dann muss man die Kultur befragen, um herauszufinden, wo man gescheitert ist, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Jeder Widerstand zielt zunächst auf die Kultur.“
Reden, die meine Großmutter mehr für sich selbst schwang, während ich den Raum verließ.
Plötzlich weicht das unbeholfene Spiel der Flöte einer klaren und synkopierten Melodie, in der sich Jammern, Seufzer und Klagen abwechseln. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ist es Der, der unter der Sonne wandelt? Mein Zerstreuter Wanderer?... Nur sein Atem birgt das Geheimnis einer solchen emotionalen Kraft. Humpelnd laufe ich der Melodie entgegen, unterstützt vom feuchten Windhauch des Monsuns.
* Dieser Text wurde zuerst in der Kolumne 10 nach 8 bei ZEIT Online veröffenlticht.