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Die Kamelhaarweste

Abdul Wahid Rafee
Moshin Taasha, Kamelhaarweste, Gouache auf Washi-Papier, 27,5 x 35 cm (2024, für weiteres Schreiben)
© Moshin Taasha, Kamelhaarweste, Gouache auf Washi-Papier, 27,5 x 35 cm (2024 für Weiter Schreiben)

In der Steppe von Bagh-e Attar gab es immer wieder Wölfe. Es gab immer wieder Diebe, immer wieder tobten Schneegestöber und immer wieder wurden Leichen unter dem Sand gefunden. An diesem Tag standen einige von uns am frühen Morgen neben der Burgmauer. Wir schauten in die sonnendurchflutete Landschaft und erzählten uns Geschichten, als Sakhisiyah uns unterbrach: „Gestern Abend hat man eine Leiche hergebracht. Sie ist in der Leichenkammer.“ Die Tür der Leichenkammer der Moschee war nur mit einer Kette verschlossen.

Sulaiman öffnete die Tür. Einer nach dem anderen gingen wir hinein. Es war ein kleiner Raum in einem Seitengang der Moschee. Auf dem Tisch lag der Leichnam eines Mannes. Letzte Nacht hatten Einwohner aus der Steppe ihn hierhergebracht und abgelegt, bevor sie schlafen gingen. Ängstlich stellten wir uns im Kreis um den Toten. Sardarqich sagte: „Hier wurde er getroffen, hier ist ein Einschussloch.“

Mit seinem Finger zeigte er auf eine Stelle unter den Augen des Toten. Ohren, Nase und Augen waren voller Sand, als hätte man den Toten gerade erst aus dem Boden gezogen. Auch das Einschussloch war mit Sand bedeckt. Auf der Stirn war eine Druckstelle zu erkennen, die, wie Qambar sagte, von einem Gewehrlauf stammte.

Das Stirnbein war eingesunken. Nabi erklärte: „Mein Vater sagt, dass unklar ist, woher er kommt.“

Der Tote trug eine Kamelhaarweste, schwarze Kleidung und dicke Socken, genau solche Socken, wie sie meine Mutter früher gestrickt hat. Sakhi fügte hinzu: „Man hat ihn aus der Steppe von Bagh-e Attar hierhergebracht. Solange unklar ist, woher er kommt, soll er hierbleiben.“

Ich sagte: „Bis dahin wird sein Gestank das ganze Dorf verpesten.“

Sakhi entgegnete: „Der Mullah hat gesagt, dass zur Aufbewahrung ein Schacht ausgehoben wird. Es heißt, dass sich ein Toter besser hält, wenn man ihn in einem Schacht aufbewahrt.“

Wir wollten den Toten umdrehen, um zu sehen, ob er noch weitere Schusswunden hatte. Qambar schob seine Hand in eine der Westentaschen und sagte: „Lasst uns nachsehen, was er in den Taschen hat.“

Sakhisiyah sagte: „Wenn da noch irgendetwas ist, dann gehört es dir, du Dummkopf. Das haben die Leute doch schon mitgenommen.“

Qambarak meinte: „Er wurde bestimmt wegen des Inhalts seiner Taschen umgebracht!“

Faizou zog den Ärmel am linken Arm des Toten nach oben und sagte: „Vielleicht hat man ihn wegen seiner Uhr getötet.“

Der Sohn von Naser wandte ein: „Vergiss die Uhr! In dieser Steppe hier kann man sogar wegen eines Spielwürfels aus Hammelknochen sein Leben verlieren.“

Der Leichnam lag so, dass man hätte denken können, er sei erst eingeschlafen und dann gestorben. Die Knie des Toten waren angewinkelt und sein Kopf hing abgeknickt über der Brust. Eine Hand lag auf dem Bauch. Der rechte Arm schien von der Schulter abwärts hinter dem Rücken zu hängen, so dass der Körper des Toten mit dem Rücken auf dem Arm lag, als ob der Arm gebrochen sei. Qambarsiyah rückte die Beine aneinander und sagte: „Lasst uns ihn einmal auf diese Seite drehen, um nachzusehen, ob es noch weitere Schusswunden gibt.“

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür der Leichenkammer. Wir drehten uns um und erblickten Sakhidad, der wütend hereinkam und rief: „Ihr Hurensöhne! Was treibt ihr hier? Habt ihr noch nie einen Toten gesehen?“

Wie ein Schwarm aufgescheuchter Spatzen sprangen wir zur Tür. Sakhidad gab allen, die er treffen konnte, einen Faustschlag auf den Hinterkopf. Den anderen trat er in den Hintern und rief dabei: „Habt ihr diesen unglücklichen Toten gefangen genommen und hergeschleppt, ohne zu wissen, wer er ist?“

Wir rannten alle nach draußen und Sakhidad blieb mit dem Leichnam allein in der Leichenkammer. Wir hatten uns nur kurz vor der Tür unterhalten, als Sakhidad wieder herauskam. In seiner Hand hielt er die Kamelhaarweste. Er schaute uns an und schüttelte die Weste in der Luft aus. Staub und Sprengpulver rieselten herab. Dann rief er noch einmal: „Wollt ihr nicht endlich wegrennen, ihr Idioten?“

Alle rannten davon.

– Nader, der BulleLesenنادرگاو

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