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Text-2

Nabelschnur

von Mazda Mehrgan

Aus dem Persischen von Sarah Rauchfuß

Mit der Nabelschnur um den Hals kamst du auf die Welt
Ein Schrei aus der Tiefe, kaum warst du da
Der Schuldspruch schon reif: Du kamst als Frau auf die Welt
An deiner Kehle Menschenrecht auf Messers schmalem Grat

Das versehrte Herz Asiens ist dein Landstrich, sein Puls
Liegt in der Hand deines Geschlechts – und du wirst bluten, bestimmt!
Gebilligtes Blut! Oh, verkörperte Provokation des Mannes, oh – Frau!
Im Moment der Geburt schon zur Knechtschaft bestimmt!

Mama zitterte einsam, bis Papa sich entschied
Dein Verkaufspreis, bei deiner Geburt schon ermittelt
Die Religion, ihr ewig-alter Gott und Verse, die besagen
Dein Recht sei beschränkt, dein Geist unterbemittelt

Wirrer Zustand! Der Kloß in der Kehle klemmt bis zum Schrei!
Von scharfen Männerzungen, der Geißel des Glaubens lädiert
Ein Wollen, ein Wollen, in die Höhe, bis zur Freiheit!
Aufgestanden! Aufgestanden! Wieder in den Staub degradiert!

Er schlägt zu und beleidigt, der vollkommene Mann
Ein Leben lang, kaum steht er einmal in Frage
Schreib’s dir hinters Ohr (keine Schmetterlingsmetamorphosen!)
Und dann spinn fest deinen Kokon, bis zu dem Tage …

Aber es ist schon zu spät, du hast Flügel, trägst Früchte
Der Kokon längst aufgebrochen, der Flug ist nah
Unter den Flügeln die Sonne, Klarheit im Kopf
Mag diese Grube auch kalt sein, dunkel und starr

Man verwehrte dir Wasser, nicht wissend, dass
Deine Wurzeln längst schon dem Grünen zuschießen
Ein dürrer, verlassener Baum bist du, der sich gewiss,
Es ist Mitte März und schon morgen wird er sprießen …

 

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Dieser Text entstand im Rahmen der Weiter Schreiben Intervention "Turning Tables" am 5. Mai 2024 im Brücke Museum Berlin.

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