Lieber Frieden oder Liebe? Für mich lieber die Liebe
Lieber Frieden oder Liebe? Für mich lieber die Liebe
Angelehnt an den Dichter Marcelino Freire sage ich so wie er: Frieden ist nichts für mich
Ja genau, ihr habt richtig gehört!
Ich hasse den Frieden entschieden
Scheiß auf die Moral und die guten Manieren, auf die Naturgesetze, die Zeit und Raum regieren
Ich hasse den Frieden, der Frieden ist nichts für mich
Frieden sagt mir nichts, Frieden repräsentiert mich nicht
Der Frieden ist nur ein Deckchen für ein verdrecktes soziales Gefüge, Frieden ist vorgeschoben
Der Frieden tut so, als brächte er Freiheit, dabei macht er uns zu Waren auf einem Fließband und überwacht uns mit seinen Antennen
Der Frieden verursacht im Winter Schäden, im Frühling kommt er mit einem blühenden Lächeln und stört unseren Schrei nach Gerechtigkeit
Der Frieden zwingt uns, die Ströme von Tränen zu schlucken die aus uns hevorbrechen, sie zu trocknen, und sagt uns: Vergesst es, kommt damit klar
Der Frieden ist eine hübsche Blume, die entsetzlich stinkt
Der Frieden steht für eine Vergangenheit, in der wahre Poesie sich nicht atmen ließ
Der Frieden ist die Illusion, die unsere Augen hypnotisiert und uns ermüden lässt vor der Wirklichkeit
Der Frieden sagt Krieg voraus und erwartet vom Thron aus den Friedensnobelpreis
In unserem Sehnen und Streben nach Unabhängigkeit trieb sich der Frieden als Geist herum und war am Ende der strahlende Held
Er saß bequem in der ersten Reihe im Kino, während seine Kugeln Blut über die Erde vergossen, und dann tauchte er auf, nach dem Fest, diabolischer Mörser der Märtyrer
Wie Marcelino sagt, Frieden ist hübsch in den Medien, Frieden ist blass, Frieden ist weiß
Der Frieden schläft nicht in unseren Musseques[1], liegt nicht auf unserem Teller, kommt nicht aus unserem Wasserhahn und tanzt nicht in unseren Mägen
Der Frieden war nicht da, als mein Lächeln verstummte und mein Schrei verklang
Sei kriegerisch, um des Friedens willen, sei noch einmal kriegerisch, um ihn zu erhalten
Das Streben nach Frieden lässt Sprachlose in der Stille der Dunkelheit sprechen, lässt am Ende des Morgenrots der neuen Zeiten Gehörlose so tun, sie könnten hören, und Blinde, sie könnten sehen, und wir sind keinen Schritt weiter und nicht einmal die Sonne scheint
Der Frieden schenkt uns ein Stück Lüge
Der Frieden ist Alpha und Omega jedes Krieges
Der Frieden löst einen Kreislauf des Schreckens aus
Lieber Frieden, ich habe Fragen an dich, sieh mich an und gib Antwort:
Wo warst du, als die verzweifelten Menschen nach einem Serum zum Überleben suchten in diesem grausamen Lebenstableau?
Wo warst du, als Tausende Knüppel in die Vulvas der versklavten Frauen gerammt wurden und ihre Seelen verstümmelten?
Wieso hast du dich in den Krieg verliebt und nicht in die Liebe?
Ich will keine Synonyme hören, Antonyme oder linguistische Signifikate, ich will nur wissen, wieso der Frieden so tut, als sei ihm nicht alles egal?
Wieso verhält er sich wie eine Atomenergie? Sauber, verschmutzt nicht die Umwelt und ist doch gefährlich und tödlich, friert eine ganze Nation ein und lässt die Dichtung versteinern, sobald seine Strahlung die Erde umarmt
Sag mir, Frieden:
Willst du, dass ich dir nach all dem wirklich die Ehre erweise?
Willst du, dass ich mich der Ironie von Bukowski entkleide?
Feucht werde bei den Metaphern von João Tala?
Dir zu Ehren die Blumen der Lyrik António Jacintos pflücke? Nein, lass die Liebe das machen
Während der Frieden jahrhundertelang Allgemeingültigkeiten kaschierte, nur große Dichter gelesen wurden und Pepetela, man sich nur nach den Meistern des Wohlstands, der Fülle streckte, kam die Liebe und legte die Allgemeingültigkeit vor die Tür unserer Peripherie[2]
Heute inspiriert uns die Poesie der Musik aus der Kehle von Giovanni[3] Majestade und der Schrei nach Freiheit aus der von Jessy Samussuku[4]
Angolanischer politischer Aktivist und Rapper, bekannt für seinen Kampf um Bürgerrechte in Angola. 2015 wurde er von den angolanischen Behörden verhaftet, die ihm zunächst den Versuch eines Staatsstreichs und später zusammen mit 16 weiteren Mitstreiter*innen subversive Handlungen gegen die Staatssicherheit vorwarfen.
Der Frieden macht uns zu Zahlen und Statistiken, die Liebe macht uns zu Prosa, zu Verben des Guten
Der Frieden besteht auf Symbole
Die Liebe legt Wert auf das Volk und das Land
Deswegen bin ich für immer für Liebe und nie, niemals für Frieden.
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[1] Armenviertel der Städte, vor allem die Vororte von Luanda.
[2] Angolanischer Schriftsteller, Politiker und Befreiungskämpfer. Er gehört zu den wichtigsten Autoren Angolas.
[3] Junger angolanischer Rapper, der die aktuellen Verhältnisse in Angola scharf kritisiert.
[4] Angolanischer politischer Aktivist und Rapper, bekannt für seinen Kampf um Bürgerrechte in Angola. 2015 wurde er von den angolanischen Behörden verhaftet, die ihm zunächst den Versuch eines Staatsstreichs und später zusammen mit 16 weiteren Mitstreiter*innen subversive Handlungen gegen die Staatssicherheit vorwarfen.