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A-bridge-with-no-banks

I am glad you are smiling

von Dima Albitar Kalaji

 

Intervention zu einer Installation von Barbara Kruger
NEUE NATIONALGALERIE
29.6.2022

Text auf Englisch (Original) hören:

Text auf Deutsch hören:

 

„Die Heimat, die ich in meinem Herzen trage, ist das eine

die Heimat, die mich verstößt und verfolgt, etwas anderes.

Alles, was man im Ausland spricht,

besitzt weder Heimat noch Identität.“

Sania Saleh, syrische Dichterin, 1935–1985

Sania setzt ihr Gedicht fort:

„Oh Heimat, meine Heimat!

Dein ist der erste und der letzte Tropfen Freude, Tränen, Blut.“

Ich mag diese beiden Zeilen nicht, ich stimme ihnen nicht zu. Für das, was ich will, bedeuten sie nichts, ich habe das Zitat gerade abgebrochen.

Sania fährt fort, aber davon werdet ihr nichts erfahren. Ich will es einfach nicht, Zitate sind gefährlich, sie sind eine Brücke, während die anderen die Ufer wählen. Sie formulieren uns neu, gemäß der Ideen der Anderen, und, oft genug, stellen sie uns außerhalb des Zusammenhangs.

Aber

Sania Saleh stand außerhalb des Zusammenhangs ihr Leben lang.

Der Zusammenhang war ihr Ehemann.

Der große Schriftsteller.

Der geliebte Sturkopf.

Der politische Häftling.

Der furchtbare Liebhaber und Ehemann.

 

  1. Automatenstimme:

 

"It is certain, in any case, that ignorance, allied with power, is the most ferocious enemy justice can have."

 

James Baldwin from No Name in the Street (1972)

Ein Zitat beginnt als Unterstreichung in einem Buch, ein Satz wird markiert, wird zur Referenz für einen Schulaufsatz, eine Schlagzeile in der Zeitung, ein Meme auf Instagram, einen 15-Sekunden-Spot bei Tiktok, 280 Zeichen in einem Tweet, eine Brücke ohne Ufer.

Die Person wird zum Zitat.

Aber was bedeutet sie?

Was, wenn wir ein paar Zeilen zurückgehen?

“Well, if one really wishes to know how justice is administered in a country, one does not question the policemen, the lawyers, the judges, or the protected members of the middle class. One goes to the unprotected—those, precisely, who need the law’s protection most!—and listens to their testimony. Ask any Mexican, any Puerto Rican, any black man, any poor person—ask the wretched how they fare in the halls of justice, and then you will know, not whether the country is just, but whether or not it has any love for justice, or any concept of it. It is certain, in any case, that ignorance, allied with power, is the most ferocious enemy justice can have.

James Baldwin from No Name in the Street (1972)

I am glad you are smiling

Ich smile nicht.

Und werde es auch nicht.

Schau mir ins Gesicht, schau den Stiefel an, der mir ins Gesicht tritt, schau die Gesichter an, die Gesichter von uns fünfen, schau dir dein Gesicht in meinem an.

Jahrzehnte nach James Baldwin, George Orwell, Walter Benjamin, Hannah Arendt und vielen anderen hat ihr Wort, hat fast jeder Satz, den sie geschrieben haben, unverändert Bedeutung, spricht zu uns in dieser Welt, hier in dieser erbärmlichen Welt, hier an diesem Ort, diesem wunderbaren Ort.

Und ich denke, wir wissen alle, dass das so bleiben wird.

Kein weiteres Zitat vonnöten.

 

 

Bitte nicht weinen.

Aus dem Englischen von Norbert Hummelt

 

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