Abdalrahman Alqalaq und Katerina Poladjan haben sich bei ihrem ersten Treffen gegenseitig Texte vorgelesen. Die Stimme und das Schauspiel spielen neben dem Schreiben in beider Leben eine große Rolle.

Katerina Poladjan über Abdalrahman Alqalaq

Manchmal trifft man einen Menschen und beginnt miteinander zu sprechen. Man sieht sich an. Ach, du bist das. Haben wir nicht gestern erst über Denkgewohnheiten, Zigaretten, Istanbul, das Schreiben, über die Angst zu schreiben, über Blumen, Verbote, Deutschland, Schonräume und Mut gesprochen? Hast du mir nicht gestern erst von den Bergen erzählt? Von einer dir nie gekannten Stille? Deiner Faszination für das große, nackte, gefaltete Felsmassiv, das immer wieder von dichten Wolken verschlungen wurde, während du dich aus Angst vor dem nächsten Schritt nicht mehr bewegtest. Einen Augenblick später fühltest du dich, als seist du ein Teil davon, und liefst weiter. Auf schmalen, steinigen Pfaden bewegtest du dich. Du sagtest: Zum ersten Mal spürte ich, was der Mensch meint, wenn er über Lebenswege spricht, auf denen er stolpert, stürzt und wieder aufsteht, weitergeht, manchmal im Nebel das Ziel aus dem Auge verliert und es doch wieder findet.

Ich kochte Tee, räumte auf, als Abdalrahman zum ersten Mal zu uns kommen sollte. Er kam. Er trug einen violetten samtenen Rollkragenpullover und brachte einen Strauß Blumen. Wir waren beide verlegen und sofort begannen wir mit der Arbeit. Wir brauchten keine Floskeln. Er hatte sein Gedicht „Heimatkomplex“ mitgebracht. Während der Arbeit am Text musste ich nicht sagen, wie sehr mir sein Gedicht gefiel, wie beeindruckt ich von den Bildern war, die mal schräg, mal längs, mal sehr groß, mal zart gezeichnet waren. Ich wusste, dass er es wusste.

Ich machte einen Vorschlag und er sagte nein. Oder er sagte, Moment, ich weiß es nicht. Vielleicht erst einen Tee? Wir lachten, wir können viel lachen.

Später schrieben wir uns Briefe. In Gedanken sprach ich auch zwischen diesen Briefen zu ihm. Ich formte meine Gedanken für ihn. Als das Projekt zu Ende ging, wollten wir weitermachen.

Nun, es kam vieles dazwischen, wie eben immer etwas dazwischenkommt. Aber zwischen dem Dazwischen schreiben wir uns weiter. Wir sprechen weiter miteinander und wir hören uns zu. So wird es bleiben. Das weiß ich.

September 2021