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4 Gedichte

Ramy Al-Asheq
Übersetzung: Leila Chammaa
Bild: Razan Sabbagh / Mixed Media aus der Serie: where to appear? 2016

1.
Es kommt vor, dass dir eine Frau gefällt,
die herabhängt aus dem Paradies
die Hand aus Feuer ausgestreckt.
Es kommt vor, dass du hängst
wie eine blinde Lampe
ohne Licht
ohne Familie
ohne Traum.
Ein unsichtbares Seil spannt sich von ihrer Hand
- zum Hals
deinem Hals.
Lass dich also noch mehr hängen, und du bist gerettet.

Es kommt vor, dass du an einem Sommertag fällst
in den Fluss
gesäumt von Amsterdams Schönen und weniger Schönen
Brüste, Brüste, Brüste
Fenster in Rot
Anmut in Rot
Frauenhändler
Rauch
rot, rot, der Fluss verfärbt sich
seine Lippen erröten
hinter Glas winkt eine Frau, sie ähnelt mir
ähnelt dir
ähnelt uns
Exilierten, Entführten, Spiegelberaubten.

Matrosengeruch an den Wänden
in meinem Ohr Stimmen von Frauen
ohne Scheu vor Liedern für andere Tonlagen.

Schwanger ist der Platz
von der Erde der Soldaten, aus dem Krieg tot heimgekehrt
Gefallene, Mörder
Touristen in arabischer Tracht
Gefallene, Mörder
der Fluss leckt sich die Lefzen
hat seine Würde zurückbekommen von der Nacht
das Rot steigt, erhellt die sommerliche Dunkelheit, steigt weiter
und ich …
bin exiliert, spiegellos.

Hinter Glas sehe ich sie - eine Frau, die mir ähnelt
ich kenne sie, sie kennt mich
Menschen ziehen an uns vorbei
ich ziehe an ihnen vorbei
hinter Glas zeigt sich die Vergangenheit, winkt
eine Frau, hängt herab aus meinem Herzen
nackt, tanzt
schaut mich an
ich habe gerötete Wangen wie der Fluss
sie tanzt
ich tanze
sie fragt mich: Woher kommst du?
ich tanze
sie fragt, ich zittere wie ein Zweig,
ich hänge
die Vergangenheit schwappt über, ich erwache
ich sehe mich - eine Frau, die ihr ähnelt
ich frage sie: Woher kommst du?
Der Fluss tritt über die Ufer
Schiffe sterben
Touristen entblößt
die Wolken Gottes erröten, enthüllen rote Nacktheit
er hängt
tanzt
fragt uns: Woher kommt ihr?
Amsterdam setzt sein Lachen auf für den nächsten Tag.

2.
Machst du Schluss mit einem Mann,
dann wasch dir
die Spuren seiner Gedichte
von den Lippen,
wisch von seinem Hemdkragen
dein Blut
und sieh zu,
wenn du die Trennung aussprichst,
es nicht im Urlaub, am Feiertag oder zu einem besonderen Anlass zu tun,
gestehe dem Abschied sein Recht zu,
das Alltägliche umzuwandeln
in einen
Karneval.

3.
Was, wenn ich mit dem Fluss spräche
und dem Angler eingäbe,
mit der Rute die Trauer zu teilen?
Was, wenn ich auf dem Wasser ginge?
Die Seherin prophezeite:
Dann werden die Dichter den Verstand verlieren.

Was, wenn ich meinen Kindern sagte,
ihr Vater sei vom vielen auf-die-Uhr-Schauen gestorben?
Die Seherin blieb still.

Was, wenn der Fluss mir die Geheimnisse der Dichter einflüsterte
und ich ihm erzählte
vom Leberfleck an der Brust einer einsamen Frau
von meinem Gesicht, wenn ich die Kriegswunder deute
und das Gedicht wie eine Frau zu mir kommt?
Dann verliert der Fluss den Verstand.

Und was, wenn ich zu Gott spräche?
Dann verliert er den Verstand.

4.
Ich bin nur die Hälfte meines Lichts
die andere Hälfte
ist Abwesenheit

– Mit meinen fünf SinnenLesenحواسي الخمس
– Den Dichtern folgt nur ihre TraurigkeitLesenالشعراء لا يتبعهم إلّا حزنهم
– Fatma trägt zwei Wunden in einer Hand*Lesenفطمة تحمل جرحين بيدٍ واحدة*

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