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So tötete ich einen Schmetterling

Galal Alahmadi
Übersetzung: Mustafa Al-Slaiman
Bild: Yara Said / Aquarell (2018)

Ich bin nicht der Liebende, von dem die Mädchen träumen.
Ich bin nur ein Tor, Ende zwanzig,
sitze hier sichtbar für alle, lache in die Runde,
bin stolz auf meine banale Bescheidenheit.
Meine Hand ist in alle Richtungen ausgestreckt
wie irgendein gebrauchter Gegenstand, den keiner will.
Es ist dieselbe Hand,
die die Tränen auffängt,
wenn sie im Dunkeln Durst verspürt
und sich nicht damit begnügt.
Ich sage allen, dass ich nichts bin.
Dass ich ein unendliches Nichts bin.
Selbst meine Fehler
nennen meinen Namen nicht.
Und weil ich alles laut sage, woran ich denke,
glauben die anderen, ich wäre ein Betrüger.
Zum Beispiel „Ich tötete einen Schmetterling“.
Ich wünschte, das wäre nur eine Metapher.
In dieser Nacht tötete ich tatsächlich einen Schmetterling.
Er war in die vollgelaufene Badewanne gefallen,
während ich einem Lied lauschte.
Wer mich gut kennt,
weiß, wie schwer es mir fällt,
ein Lied nur zur Hälfte zu hören.
Zumal die von mir enttäuschten Lieder
später oft zornig zurückkehren, um mich zu töten.
Mein Leben ist hart und schwierig genug.
Einer von uns musste sterben.
Ich weiß, es war nicht lustig.
Doch am nächsten Morgen hat sich keiner mehr daran erinnert.
Nicht einmal der Schmetterling.
Am Ende bin im Übrigen auch ich nichts.
Ich bin nur ein Tor, ein Feigling, meine Hände stecke ich in die Hosentaschen,
damit ich heimlich
meine Finger vor den Bäumen bewegen kann,
während ich Belangloses oder Erfundenes so dahersage.
Und doch bestehe ich darauf, dass mich ein dunkles Schicksal erwartet.
Sei gegrüßt, lieber Baum.
Ich bin ein von Müdigkeit befallener Mann,
der einem Ball gleich von einem Land ins nächste gekickt wird.
Ein fauler Apfel bin ich.
Und – ich schimpfe weiter.
Drohe damit, meine Würmer in die ganze Welt zu streuen.
Ich rede und rede und verstumme plötzlich,
nur weil ich an obszöne Wörter denken muss.
Ich laufe umher mit einem alten Handy,
dessen Speicher nicht einmal für die Namen der Liebenden reicht.
Ich trage Kleider, die von Erinnerungen anderer bewohnt sind.
Achtlos gekauft im Secondhandladen.
Und ähnlich achtlos gehe ich mit den Gedichten um, über die man spricht,
auch wenn die Hälfte davon mit Verlaub Leichen sind.
Aber nun hör mir gut zu:
Wenn du etwas Zeit hast,
bitte,
bitte, lieber Baum,
nimm mich endlich in den Arm.

Nachdichtung: Tanja Dückers

– Das KindLesenالطفل
– Eine Liste für ein Haus mit zwei GeisternLesenقائمة طويلة لمنزل بشبحين
– Ein Hund in der GasseLesenكلبٌ في زقاق
– Der GedankeLesenالفكرة
– Löchrige SockenLesenجوارب مثقوبة
– Weniger HassLesenحقدٌ أقلّ
Galal Alahmadi Tanja Dückers

Galal Alahmadi & Tanja Dückers

Galal Alahmadi und Tanja Dückers arbeiten gemeinsam an ihren Texten und nehmen sich die Zeit, die Wörter brauchen, um von einer in der anderen Sprache anzukommen.

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