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Fatma trägt zwei Wunden in einer Hand*

Ramy Al-Asheq
Foto einer Collage von Tammam Azzam
Fotocollage: Tammam Azzam / The Lighthouse

Das Meer ist weiß,
sagte die Braut, auf ihrem Weg.
Sie dachte, das Wasser habe nicht die Kraft
von zwei Ehen, die ein ganzes Leben dauerten.
Ich dachte oft daran,
wie sie mir das Schwimmen beibrachte.
Wie? Weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich,
mit welcher Entschlossenheit sie mein Herz ins Meer warf,
nicht aus Angst vor dem Pharao, nein, sondern auf der Suche
nach einem Propheten. Ich erinnere mich, sie schwamm
als sei sie die Mutter der Wogen, die das Wasser,
vor dem Verdunsten bewahrt.
Sie war die Erste. Wie alle Mütter
wies sie das Meer von sich,
verdeckte, so weit sie konnte, ihre Weiblichkeit
und tauchte hinein, bekleidet und verschleiert.

Fatma
fürchtete die Politik, die Meere fürchtete sie nicht.
Sie durchstreifte alle Behörden
und schenkte jedem Polizisten ein wenig Mütterlichkeit.
Sie schlug das alte Photoalbum auf, um ihn zu erweichen,
um zu erfahren, wo ihr Sohn sich befindet.

Sie versuchte, mich zu lehren,
still zu sitzen, es gelang ihr nicht.
Woche für Woche archivierte sie meine Lieder,
reparierte mein Spielzeug.
Ich war ein kleiner Verrückter.
Mein Spielplatz war der Leichtsinn, die Hast.
Und das Weinen,
das jetzt vorbei ist.
Es hat mir genutzt.
Vielleicht verschwand das Weinen,
wie eine verspätete doch dringende Reaktion.

Fatma bereitet das Schiff für mich.
Soll ich mein Warten für sie bereiten?
Wie will die Geduld, O Mutter des Gedichts,
dich und mich besiegen?

Fatma
wird ihren Busen dem Meer bieten,
es stillen und standhaft bleiben,
sie kennt all dieses Salz
und weiß, wie man Speisen damit würzt,
wie sie ihr Kind entwöhnt.

Fatma
wird vor dem Meer ihren Kopf entblößen.
Ich weiß, sie rezitierte ihm Gedichte,
und den Koran,
und lächelte dem Gesicht des Wassers zu.
Sie täuschte Schwindel vor,
um sich auszustrecken.
Auge in Auge mit der Sonne,
Auge in Auge mit einem Himmel,
der vielleicht verräterisch war.
Sie wollte eine größere Weite,
um den Verrat zu erkennen,
wo immer er sich zeigte.
Das Meer verriet die Schwimmenden,
wie es den Geruch verriet.

Eine Hauptstadt hat das Meer und ein Feuer.
O altes Meer, lass uns einen Handel schließen.
Nimm was immer der Wahnsinn sich wünscht
und gibt mir ihre Jugend.
Meer, sei sanft.
Ich bin ein Sohn von Akko.
Die Erinnerungen des Wassers könnten hilfreich sein.
Sei nie ihr Himmel,
sei Friede.
Wir waren es, die deine Wellen zähmten,
morgens und abends,
in Wirklichkeit und Unwirklichkeit.

Fatma gürtet sich mit ihrer Sehnsucht.
Das Boot übervoll mit Pilgern.
Die Sonne ihre Gebetsrichtung,
das Meer ihr Teppich.
Es taugte nicht für rituelle Waschungen.
Es war das Gedächtnis der Ertrunkenen geworden
und der Spiegel des Himmels.
Der Thron Gottes
entschwand dem Meer und allem anderen,
doch das Gesicht Fatmas verschwand nicht.

Fatma bereitet uns den Garten und die Milch,
als ob wir nicht in der Lage wären,
die Wellen in den Meeren ruhiger,
den Himmel zu leichter zu machen.

Fatma,
O Mutter der Wahrheit,
wie oft haben wir gelogen,
um dich wiederzusehen?
Wie oft haben wir gelogen,
um unsere Gesichtern
vor dem Feuer deiner Angst zu verbergen?
Höchste Zeit, dass deine Hände die Meere erheben
und das Wasser sich verbeugt.
O Tochter des Himmels,
vor deinen Wunden werfe ich mich nieder.

Das Gesicht des Schiffes,
ist das Gesicht aller Flüchtlinge,
und unser Gesicht
sucht noch immer nach dem belagerten Himmel.
Das Gesicht der Sonne schwebte,
sie ging unter,
und verschwand.
Ich schluckte die Winterfrucht, das Feuer,
und hatte nicht genug.
Ich stahl, was mein Leben wollte,
als der Tod noch schlief.

Meine Mutter
wird unsere Gesichter bunt auf das Meer zeichnen,
und unser Foto dem Geschrei der Fische zum Verzehr anbieten.
Sie wird den Tagen sagen:
Das ist mein Lachen,
das Wasser malt mein Porträt als Prophetin,
mein Talisman ist die Stimme meiner vier Jungen:
Mutter, Mutter, tausendmal Mama!
Auf den Schmerzen der Männer segelte ich ohne ein Segel.

Und ich werde auf den Frieden warten.
Ich werde am Ufer
jedes Lied, das ich kenne,
dem Wasser rezitieren.
Das Geheimnis der Frauen wird an der Grenze des Meeres enden.
Oh, Meer, warte auf das Ende der Geschichte,
ohne Fragen zu stellen.
In deinen Händen, meine Mutter.
Sag ihr: lächle.
Ich werde lachen,
damit meine Züge zu Regen werden
und dein Gesicht eine Ähre.

Fatma bereitet sich für den Weg des Anfangs am Ende ihres Meeres vor.
O Meeresgöttin,
fülle die Haut des Wassers mit der Saat deiner Angst
und schaffe auf dem Meer einen himmlischen Garten.
Die Deinige teilt ihre Wasser auf dem Weg zu dir.
Erschaffe Land…
O Meeresgöttin,
nimm dich in Acht
vor der Gotteslästerung der Boote, wenn sie zerschellen.
Nimm dich in Acht.
Schicke nicht die Küstenwache als falschen Propheten.
Sie breiten das Wasser über dem Wasser aus,
so dass das Land sich entfernt.
Schicke eine Nachricht wie dein Licht.
Trenne den Himmel vom Wasser deiner Wellen.
Freue dich,
wenn das Meer geringer wird.
Freue dich,
wenn deine Hoheit geringer wird
Wenn es enger wird,
wird die Geschichte größer für die,
die dieses Leben liebt.
Und je geringer die Abrechnung ausfällt,
umso schwächer wird der Wind,
und um so weiter das Wasser,
umso enger wird der Atem der Flüchtenden.
Sie bezichtigen die Gischt am Hafen der Lüge:
„Es gibt keine Göttin im Meer.“

Fatma wird überleben:
Nicht ich hab mich an dem Land vergangen, das Land verging sich an mir,
sagt sie und auch:
Gesiegt haben die Kriege aller Menschen,
die Worte sind besiegt, das Meer wurde zur Flut.
Kein Pilgerrundgang um das Meer,
das ist der einzige Weg, den ich machen kann.
Sie wird überleben. Wie denn nicht?
Das Meer fürchtet ihren Leichtsinn
und gebietet der Liebe des Salzes in ihrem zarten Mund Ehrfurcht.
Es wird niemals glauben, dass sie das Wasser fürchtet.
Das Wasser
kennt ihren Ungehorsam
und ihre damaszenischen Tränen.

Ich nähere mich der Grenze des Wassers.
Meine Augen suchen nach einer Küste.
Ich dehne meine Wunden einer unsichtbaren Küste entgegen.
Nein, es ist nicht unmöglich, sage ich,
ein Land mit einem anderen zu verbinden
und versuche, Don-Quichottisch
zwei Kontinente zusammenzufügen.
Es gibt da eine Brücke über meiner Brust
ein Zug fährt über mich hinweg.
Unter mir ruhen die Boote.
Ich ziehe, ich warte, ich ersticke, ich werde enden.
O Fatmas Gesicht… wirst du mir nicht erscheinen?

Auge in Auge
sehe ich sie nicht, und sie sieht mich nicht.
Ich wurde zum Meer.
Meinem Körper fehlte sein Salz.
Zu einer Brücke wurde ich,
die fast zerborsten wäre.
Und meine Knochen sind brüchig nun.
O Fatmas Gesicht, komme zu mir
und spaziere über mich.
Der Krieg schloss die Fenster für das Neue.
Was normal war, hat uns verlassen,
da wurde alles normal.
Du allein verleihst ihm
seinen Reiz.

Mutter, komm, damit ich dir die Wahrheit sagen kann.
Ich sehe dir nicht ähnlich.
Die Merkmale ähneln der Vergangenheit.
Aber alles hat sich verändert.
Ich habe all meine Schatten zertrampelt
und ging dem Licht entgegen.
Es gibt kein Licht wie das der Liebe.
Der Weg ließ mich im Stich.
Ich tat das Gegenteil von dem, was der Schlepper sagte,
und ich bin nicht angekommen.
Die Wälder bissen mich.
Die Bäume umstellten mich und wiesen mir den Weg,
ich kann keine Polizeibeamten mehr sehen,
ihre Mimik nimmt mir die Luft,
auch wenn sich die Farbe ihrer Uniformen
und ihr Dienstgrad ändern.
Ich bin die Nebenstraße, wenn sie von Verführung asphaltiert wird.
Ich sehe dir nicht ähnlich.
Ich habe einen Glauben begründet
und begann, alleine nach seiner Wahrheit zu suchen.
Ich brauche weder Gläubige noch wahrhaftige Männer.
Was ich habe, ist ein Buch mit meinen Gedichten,
das keine Offenbarung ist,
nur ein Lied, das im Denken zu weit gegangen ist.
Ich sehr dir nicht ähnlich.
In Wahrheit
ähnele ich deinem damaszenischen Gesicht in Amman.
Es hat mich lange Zeit gerettet.
Verzeih, wenn mir dies zu ausführlich geraten ist.
Das Gedicht kam leicht verspätet zu seinem Vortrag.

Und jetzt O Fatma, und meine Wunde.
Jetzt meine Mutter, und mein Salz.
In der verstellten Ferne wird eine Hauptstadt verkauft.
Du hast der Stadt nichts angetan.
Wir ernteten, was die Zerstörung in das Herz des Herzen gesät hat.
Verblendet vom Gedanken an eine baldige Rückkehr.
Singe, damit die Zerstörung gegen die Zerstörung kämpft.
Denn es wird dort kein Licht sein,
solange keine Finsternis herrscht.
Fatma wird ihr Gesicht nie mit Geduld waschen!

Köln 2015

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* Dieses Gedicht widme ich meiner Mutter. Sie trug ihren Namen, als sie allein den Weg über das Meer nahm, um in Deutschland Exil zu finden. Ich schrieb das Gedicht, bevor Fatma das andere Ufer erreichte.

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